Wie kann man Greenwashing erkennen?

Vorbei sind die Zeiten, in denen Anlegern ausschließlich der reine Profit wichtig war. Gerade unter jüngeren Investoren ist mittlerweile auch die Frage entscheidend, inwiefern das eigene Engagement einen nachhaltigen Mehrwert hat. So stellt etwa Morgan Stanley fest, dass 85 Prozent der amerikanischen Privatanleger auch nachhaltige Gesichtspunkte berücksichtigen. Unter den Millennials erreicht dieser Wert sogar 95 Prozent.

Dass „Anlageformen mit Gewissen“ ein immer größerer Markt werden, ist eine erfreuliche Entwicklung. Doch ein so schnell wachsendes Segment, von 2020 bis 2021 wuchs sein Volumen um mehr als das doppelte und zwar im Billionen-Dollar-Bereich, weckt natürlich viele Begehrlichkeiten. Das böse Wort vom Greenwashing macht darum immer mehr die Runde. Der Versuch also, Anlageformen als nachhaltig zu verkaufen, die es in Wahrheit nicht sind.

Da bei den Anlegern die Bereitschaft groß ist, etwas für Umwelt und nachhaltige Entwicklung zu leisten, aber sie bei den Angeboten auf dem Markt oft nicht über ausreichend Fachwissen verfügen, wird das von den Greenwashing-Anbietern ausgenutzt. Das führt zur Situation, dass Millionen Anleger zwar meinen, mit ihren Investitionen nachhaltige Projekte oder den Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen, doch in Wahrheit Produkte verkauft bekommen haben, die die entsprechenden Ansprüche nicht erfüllen. 

Das kann schnell passieren, da dieser Etikettenschwindel momentan noch weit verbreitet ist. Beispielsweise erfüllen im Bereich der Publikumsfonds, die für sich mit der Einhaltung der ESG-Standards werben, laut dem Deutschen Fondsverband BVI nicht mal zehn Prozent die entsprechende EU-Definition. Kritiker warnen davor, dass in solchen  Fällen die entsprechenden positiven Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft eben nicht stattfinden. Letztlich steht hinter solchen Produkten weiterhin als wichtigstes Ziel die Profitmaximierung und damit genau die Wirtschaftskultur, die – wie weiter oben  erwähnt – von  einer überwältigenden Mehrzahl der Anleger nicht mehr geteilt wird.

Was kann der einzelne Privatanleger also unternehmen, um selbst Greenwashing-Produkte zu erkennen? Da es noch keine hinreichend etablierten Siegel oder Ratings gibt, die auf einen Blick zeigen können, womit man es zu tun hat, ist ein wenig Eigeninitiative gefragt. Der wohl wichtigste Indikator dafür, welchen Stellenwert nachhaltige Ziele haben, ist die Priorität, die diese Ziele genießen. Wenn ein Unternehmen etwa damit wirbt, sich für sauberes Wasser einzusetzen, ist es wichtig zu erfahren, welche Rolle dieses Ziel tatsächlich im Unternehmen spielt. Ist es eine bloße Marketing-Maßnahme und damit Greenwashing oder wurde zum Beispiel eigene Stellen geschaffen, die sich um die erfolgreiche Umsetzung dieser Nachhaltigkeitsstrategie bemühen? Sind die Fortschritte in diesem Bereich womöglich sogar an die Höhe der Boni-Auszahlungen für den Vorstand gekoppelt? Wird sie bei strategischen Fragen wie Expansionen, Übernahme oder Investitionen berücksichtigt und könnte diese entscheidenden beeinflussen?

Ein wichtiger Indikator dafür, dass ein Unternehmen kein Greenwashing betreibt, ist auch die Ausführlichkeit, mit der die eigene Nachhaltigkeitsstrategie kommuniziert wird. Wenn es umfangreich darüber informiert, welche Investitionen oder Allianzen aufgrund der eigenen Überzeugungen angestrebt oder ausgeschlossen werden, ist das ein gutes Zeichen. Wenn es hingegen in diese Richtung wortkarg bleibt, besteht die Gefahr eines grünen Feigenblattes, hinter dem weiterhin keine nachhaltige Firmenphilosophie steckt. Zuletzt gibt es außerdem noch einen Ansatz. Wer Aktien besitzt, kann im Unternehmen aktiv auf eine nachhaltigere Firmenpolitik hinarbeiten und entsprechende Schritte und Reformen vom Vorstand einfordern. Das wäre quasi grüne Lobbyarbeit direkt an der Basis. Von daher muss man sich zwar vor Greenwashing in Acht nehmen, es gibt aber gleichzeitig keinen Grund, sich vor diesem Etikettenschwindel zu fürchten. Letztlich kann meist mit relativ wenig Zeitaufwand überprüft werden, ob hinter den vollmundigen Versprechungen eines Unternehmens oder einer Geldanlage wirklich eine grüne Agenda steckt oder nur Zeitgeist-Opportunismus beziehungsweise Greenwashing. Es lohnt sich, diese wenige Zeit zu investieren.