Impact Investing-Magazin kontrovers #1 – Freie Weltordnung in Gefahr: Nachhaltigkeit muss Machtpolitik im Blick haben

Ist es in einer Welt, in der Sicherheit und Freiheit durch militärische Aggressoren bedroht sind, moralisch verwerflich, Machtpolitik und Rüstungsindustrie aufgeschlossen gegenüberzustehen? Nein, ist es nicht! Waffen gehören zum Schutz von Freiheit dazu. Wenn wir weiterhin die Freiheit haben wollen, uns notwendigerweise mit ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit zu befassen und viel dafür zu tun, müssen wir auf eine machtpolitische Nachhaltigkeit hinarbeiten, die keine offenen Flanken lässt.

Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Udo Di Fabio, der heute öffentliches Recht an der Universität Bonn lehrt, hat sich in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) unter der Überschrift „Die Verteidigung eines freien Europas“ mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich westliche Demokratien angesichts offener militärischer Aggression behaupten können. 

Seine Kernaussage: Wenn diese Behauptung gelingen soll, „müssen sie das Konzept der Nachhaltigkeit von der ökologischen Thematik, in der es eminent wichtig bleibt, auf machtpolitische Zusammenhänge ausdehnen“. Unter anderem schreibt Udo Di Fabio über das angekündigte 100-Milliarden-Euro-Programm zur Modernisierung und Aufrüstung der Bundeswehr, um die Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland auf ein angemessenes Niveau zu heben und die Nato-Verpflichtungen einzuhalten. Wichtig für den ehemaligen Verfassungsrichter ist, dass diese Entscheidung nicht nur „Sofortmaßnahmen unter dem Eindruck des Krieges“ in der Ukraine darstellt, sondern Teil eines „neue[n] strategische[n] Konzept[s] zur Verteidigung des freien Europas. Das müsse ganz realistisch betrachtet werden. Pazifismus und Abrüstung würden nur einer idealen Welt funktionieren, in der die USA als ‚gute[r] transatlantische[r] Hegemonie‘ schützen hinter in Europa stehe. In dieser Welt könne es auch „nicht nur für einige junge Anwältinnen und Anwälte als moralisch verwerflich [gelten], ein ‚Rüstungsunternehmen‘ wie Airbus zu beraten“.

Freie Weltordnung Voraussetzung für soziale und ökologische Nachhaltigkeit

Kurzum: Eine solche romantisierende Vorstellung und selbstgefällige Gesinnungsethik sind in Zeiten militärischer Bedrohung der freien Weltordnung nicht mehr haltbar. Auch machtpolitisch – und das heißt eben auch militärisch – muss diese Werteordnung erhalten werden. Wenn ökologische Nachhaltigkeit für den Schutz und den Erhalt der Umwelt steht, um Leben auch in Zukunft ohne Klimakatastrophen möglich zu machen, muss dies laut Udo Di Fabio auch auf die politische Ebene ausgedehnt werden.

Für Impact-orientierte Anlegerinnen und Anleger ist dieser Gedanke freilich ein Problem. Impact Investing schließt gemeinhin Investments in Unternehmen aus, die ihr Geld mit Waffen und Rüstung, Alkohol, Tabak oder Glücksspiel verdienen oder die Zwangsarbeit, Kinderarbeit oder Tierversuche nutzen – sozial verantwortliche Investments sind das Stichwort. Aber was passiert nun, wenn die freie, die gute Weltordnung, in der Gedanken über soziale und ökologische Nachhaltigkeit Raum haben, weil Frieden, Freiheit und Wohlstand gesichert scheinen, eben bedroht ist? Dann stellt sich zwangsläufig die Frage, welches Bewertungskriterium die höhere Relevanz für das Gemeinwohl besitzt, das Impact Investing bekanntlich und gemeinhin fördern will? Ist die Förderung einer nachhaltigen Machtpolitik und damit auch die Förderung militärischer Durchsetzungsfähigkeit im Angesicht eines militärischen Aggressors nicht höher anzusiedeln als der Versuch, gesundheits- und umweltschädliche Geschäftspraktiken zu verbannen?

Manchmal muss es das kleinere Übel sein

Das moralische Dilemma hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kürzlich lösen müssen, als er mit dem Emirat Katar, nicht gerade ein Hort der Menschenrechte und Toleranz gegenüber Frauen und religiösen Minderheiten, einen Gasliefervertrag abgeschlossen hat, um Deutschland in der Versorgung von Russland unabhängiger zu machen. Es ist die große Frage des kleineren Übels: Sollte Robert Habeck gesinnungsethisch korrekt auch keine Verträge mit einem Staat wie Katar abschließen, oder hat er im Sinne der Versorgungssicherheit Deutschlands seine Verantwortung als Bundesminister korrekt wahrgenommen? Und ist die Entscheidung der Regierung der Sonderausgaben für die Bundeswehr nicht insofern korrekt, als dass Sicherheit, Freiheit und Unversehrtheit der Bevölkerung Deutschlands bei einem Angriff auf dem Spiel stehen können?

Als ethisch wird gemeinhin als das Verhalten definiert, das einem anderen Menschen objektiv nicht schadet. Das heißt aber eben nicht, dass man per se ethisch sein kann, ohne auch harte Entscheidungen treffen zu müssen. Und vielleicht muss man insofern die Entwicklung und Produktion von sicherheits- und damit freiheitsrelevanten Produkten auch dann fördern, wenn man sich als Impact Investor eigentlich gegen eine solche Strategie entschieden hat? 

Impact-Investoren sollten nicht aus einem moralischen Elfenbeinturm heraus entscheiden

Das Dilemma ist klar: Man muss die Entscheidung treffen zwischen seiner sich gut anfühlenden und unter der bisherigen Weltordnung auch nachvollziehbaren Haltung, nicht in die Rüstungsindustrie zu investieren, und der neuen Realität, im Sinne des dauerhaften Erhalts einer freiheitlichen Grundordnung auch auf physische Abschreckung setzen zu müssen. Die Friedensdividende seit Ende des Kalten Kriegs ist zunächst aufgebracht, und wir müssen uns den neuen Bedingungen stellen. Und wenn wir weiterhin die Freiheit haben wollen, uns notwendigerweise mit ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit zu befassen und viel dafür zu tun, müssen wir auf eine machtpolitische Nachhaltigkeit hinarbeiten, die keine offenen Flanken lässt.Das bedeutet nicht, das eine zu tun, um das andere zu lassen. Die Beschäftigung mit ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit bleibt existenziell wichtig. Aber Impact-Investoren können aufgrund des politischen Paradigmenwechsels nicht aus einem moralischen Elfenbeinturm heraus per se alles ablehnen, was dem Konzept des Impact Investing in traditionellen Friedenszeiten widerstrebt. Vielmehr hat Nachhaltigkeit viele Ebenen. Und Frieden und Freiheit gehören zwingend dazu.

Über den Autor: Prof. Dr. Patrick Peters, MBA

Prof. Dr. Patrick Peters, MBA ist Professor für PR, Kommunikation und digitale Medien und Prorektor an der Allensbach Hochschule, Wirtschaftspublizist und Kommunikationsberater. Er befasst sich seit vielen Jahren mit der Finanzindustrie und berät vor allem Vermögensverwalter, Finanzdienstleister und Unternehmen, die sich dezidiert mit dem Thema der Nachhaltigkeit befassen. Er hält einen MBA mit Fokus auf Leadership und Ethik. Er ist Chefredakteur von impactinvestings.de.

Prof. Dr. Patrick Peters
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