Die internationale Organisation Global Impact Investing Network (GIIN) schätzt das weltweite Marktvolumen des Impact Investing im neuen „2020 Annual Impact Investor Survey“ auf 715 Milliarden US-Dollar, im Vergleich zu 502 Milliarden US-Dollar im April 2019. Der deutsche Markt ist weit davon entfernt: Hierzulande liegt das Marktvolumen im Bereich Impact Investing bei rund 6,5 Milliarden Euro – aber Ende 2015 waren es nicht einmal 70 Millionen Euro! Auch wenn der gesamte Markt generell noch in den Kinderschuhen steckt, ist eine rasante Entwicklung zu beobachten.
Impact Investing, also das wirkungsorientierte Investieren vorrangig in unternehmerische Projekte mit einer hohen sozial-ökologischen Relevanz, hat sich in den vergangenen Jahren von einem Nischenthema zu einem wahrnehmbaren Baustein in der Asset Management-Industrie entwickelt. Und immer mehr Anleger wenden sich diesem Thema aktiv zu, wie eine internationale Umfrage zeigt, die Marktforscher im Auftrag des US-Vermögensverwalters American Century Investments (ACI) in Deutschland, den USA und Großbritannien im September 2020 durchführten: In Deutschland findet ein Drittel der Befragten das Konzept von Impact Investing „sehr ansprechend“ oder „relativ ansprechend“. In den USA und in Großbritannien sind es rund die Hälfte der Bürger, meldet die Wirtschaftszeitung „Handelsblatt“ (2. November 2020).
In Deutschland schätzt die Bundesinitiative Impact Investing das Marktvolumen im Bereich Impact Investing auf bis zu 6,5 Milliarden Euro – aber Ende 2015 waren es nicht einmal 70 Millionen Euro! Die Daten gehen aus der „Marktstudie 2020: Impact Investing in Deutschland 2020“ von Juni 2020 hervor und hängen davon ab, wie „Impact Investing“ aufgefasst wird, ob im engen Verständnis oder im weiten Verständnis. Impact Investing im engen Verständnis umfasst die Bereiche „Impact First“ und „Finance First“. Laut der Bundesinitiative Impact Investing fokussiert Impact-First auf sozialen oder ökologischen Ertrag und erst an zweiter Stelle auf finanzielle Rendite, während Finance First auf finanzielle Rendite zielt, die jedoch strategisch ausdrücklich mit sozialen oder ökologischen Ertragserwartungen kombiniert ist. Impact Investing im weiten Verständnis bezieht sich laut Bundesinitiative Impact Investing auf die bekannten Konzepte Socially Responsible Investments (SRI) und ESG Investing (Environmental, Social, Governance).
Assets under Management von bis zu 18 Milliarden Euro in Deutschland
Ein weiteres Ergebnis der aktuellen deutschen Marktstudie: Betrachte man die Assets under Management mit Bezug zu Impact, wie Investoren beziehungsweise Intermediäre sie im weitesten Sinne (ohne Aufschlüsselung der einzelnen Strategien) selbst angeben, wird sogar ein Gesamtvolumen der Investitionen von 17,3 Milliarden Euro genannt (in Eigenkapital und Fremdkapital). Zu diesen insgesamt gehaltenen Investitionen kommt eine Kreditsumme von 831 Millionen Euro hinzu, die von am Impact Investing-Markt aktiven Banken vergeben sind. Daraus ergibt sich ein von den Akteuren mit Bezug zu Impact genanntes Marktvolumen von insgesamt 18,1 Milliarden Euro.
Die Studie der Bundesinitiative Impact Investing fächert die Ergebnisse auch hinsichtlich der führenden Investoren auf. Vom Gesamtinvestitionsvolumen aller vier Anlagestrategien von 6,5 Milliarden Euro im weiten Verständnis von Impact Investing entfallen mehr als die Hälfte, genau 3,6 Milliarden Euro (entspricht 56 Prozent) auf Stiftungen und Family Offices. In der engeren Definition von Impact Investing (Marktvolumen von 2,9 Milliarden Euro) investieren Stiftungen und Family Offices ca. 750 Millionen Euro, also mehr als ein Viertel des Gesamtvolumens. Diese Summen werden zugleich von einem kleinen Kreis von wenigen (15 Organisationen) kapitalstarken Akteuren investiert. Banken (eine Milliarde Euro) und Asset Manager (823 Millionen Euro) hätten im Impact Investing stark aufgeschlossen und hielten nun große Anteile. Bezogen auf alle vier Strategien seien es ebenfalls diese beiden Investorengruppen, die den großen Teil der anderen, nicht von Stiftungen und Family Offices gehaltenen Mittel beisteuerten. Impact Investing erfolgt dabei in allen Anlageklassen und stellt keine separate Anlageklasse dar. Mit jeweils mehr als einer Milliarde Euro sind Public Equity, Private und Public Debt, Publicly Traded Debt und Real Assets bezogen in allen vier Bereichen des Impact Investing im weiteren Sinne stark vertreten.
Laut der neuen Studie „Impact Investing in Deutschland 2020 – Ein dynamischer Wachstumsmarkt“ der Bundesinitiative Impact Investing habe Impact Investing in Deutschland mittlerweile eine neue Entwicklungsstufe erreicht und bilde heute eine breite Bewegung. Nun sei es notwendig, mehr Kapital zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen zu mobilisieren. So werde ein wichtiger Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der UN-Agenda 2030 geleistet. Ziel der Agenda 2030 ist es, die weltweite Entwicklung ökologisch, wirtschaftlich und sozial nachhaltig zu gestalten. Danach hat sich der Markt vor allem in den letzten fünf Jahren mit erheblicher Dynamik entwickelt. Der Marktbericht 2020 des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) weist für 2017 ein Marktvolumen für Impact Investments von 5,2 Milliarden Euro, für 2018 von 13 Milliarden Euro und für 2019 von 8,1 Milliarden Euro aus. Vergleicht man diese Wachstumsdynamik mit der des ESG-Segments, so wächst Impact Investing deutlich schneller, wenn auch noch auf niedrigerem absolutem Niveau, heißt es in der Studie.
Im Durchschnitt werden acht Nachhaltigkeitsziele abgedeckt
Eine weltweite Perspektive liefert das Global Impact Investing Network (GIIN). Die Organisation schätzt den globalen Markt im neuen „2020 Annual Impact Investor Survey“ auf 715 Milliarden US-Dollar. Im Vergleich zu 502 Milliarden US-Dollar im April 2019 entspricht dies einem Anstieg von 42,4 Prozent, der sowohl das Vermögenswachstum als auch die Zunahme der Anzahl der Organisationen widerspiegelt, die GIIN in seine jährliche Schätzung einbezieht. Die Umfrage umfasste 294 Befragte, darunter 79 Wiederholungsbefragte, die die Umfrage 2016 abgeschlossen haben. Rund 61 Prozent der befragten Organisationen sind ausschließlich Impact-Investoren. Der Rest tätigt auch Investitionen ohne Impact-Wirkung. Etwa 60 Prozent der befragten internationalen Impact-Investoren, die insgesamt mehr als 400 Milliarden US-Dollar in wirkungsorientierten Assets verwalten, zielen sowohl auf soziale als auch auf ökologische Auswirkungen ab, wobei viele die 17 Ziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs) für soziale Entwicklung als Rahmen für die Messung des Fortschritts verwenden. Im Durchschnitt zielen die Befragten auf acht verschiedene Themen ab, die mit den SDGs in Einklang stehen.
Das Global Impact Investing Network hat auch die spezifischen Investitionstätigkeiten analysiert. Der Studie zufolge nutzten die Anleger die gesamte Bandbreite der Anlageklassen, wobei Private Debt (37 Prozent), öffentlich gehandelte Schuldtitel (24 Prozent) und Private Equity (16 Prozent) im Jahr 2019 das meiste Kapital anzogen. Diese Assetklassen stehen auch für fast 90 Prozent aller Impact Investing-Transaktionen. 55 Prozent der Investitionen finden in Industrienationen statt, 45 Prozent in Schwellenländern. In Bezug auf die finanzielle Leistung gaben 88 Prozent der Befragten an, dass ihre Investitionen ihre finanziellen Erwartungen erfüllen oder gar übertreffen, berichtet GIIN. Inzwischen gaben 99 Prozent der Befragten an, die Erwartungen seit ihrer Gründung erfüllt oder übertroffen zu haben.
Impact Investing führt zu marktgerechten Renditen
Apropos finanzielle Erwartungen: Interessanterweise halten 70 Prozent der Anleger die finanzielle Attraktivität von Impact Investing im Vergleich zu anderen Anlagestrategien zumindest für etwas wichtig. Zusammen mit der Tatsache, dass eben 88 Prozent der Befragten angeben, ihre finanziellen Erwartungen erfüllt oder übertroffen zu haben, und mehr als zwei Drittel der Befragten (67 Prozent) risikobereinigte, marktgerechte Renditen für ihr Vermögen anstreben, könnte diese Feststellung eine Verschiebung gegenüber den zunehmend veralteten bedeuten Wahrnehmung eines inhärenten Kompromisses zwischen Wirkungsorientierung und finanzieller Leistung bedeuten. In der vor einem Jahrzehnt durchgeführten ersten Umfrage wurde die Erwartung des Anlegers eines Kompromisses und große Unterschiede bei den Renditeerwartungen festgestellt. Im Gegensatz dazu scheinen sich die Befragten der diesjährigen Umfrage stärker um risikobereinigte Marktrenditen konsolidiert zu haben, sind jedoch mit der finanziellen Leistung zufrieden, wenn dies im Einklang mit ihren Zielen steht, heißt es weiter.
In Bezug auf die Auswahl der Impact-Performance-Ziele zielen 60 Prozent der befragten Manager sowohl auf die sozialen als auch auf die ökologischen Auswirkungen ab. Die SDGs werden in großem Umfang verwendet, wobei 73 Prozent diesen Rahmen für mindestens einen Mess- und Verwaltungszweck verwenden. Ein spezifisches Ergebnis: Fast drei Viertel der Befragten der diesjährigen Umfrage zielen auf „menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“ (SDG 8) ab. Im Durchschnitt zielen die Befragten auf acht verschiedene SDG-ausgerichtete Wirkungsbereiche ab, die die Vielfalt ihrer Wirkungsziele widerspiegeln.
„Wir haben ein unglaubliches Wachstum beim Impact Investing verzeichnet“
Auch hinsichtlich der weitreichenden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ist offensichtlich keine Veränderung in der Impact Investing-Dynamik zu erwarten. Die meisten Befragten der GIIN-Studie gaben an, dass es „unwahrscheinlich“ sei, dass sie das Kapitalvolumen ändern, das sie trotz des Virus für wirkungsorientierte Investitionen planten. Andere Marktteilnehmer allerdings beschreiben, dass die COVID-19-Pandemie vor allem auch in entwickelten Industrieländern ein Schlaglicht auf viele Unzulänglichkeiten und Finanzierungslücken im Sozialsystem aufzeigt und daher Investoren in naher Zukunft noch stärker wertorientierte Investitionsstrategien verfolgen werden. Zunehmend werden öffentliche Mittel zur Finanzierung des Wohlfahrtstaates Deutschland nicht mehr ausreichen und privates Kapital wird diese Lücken schließen müssen.
„Viele Investoren haben und werden sich weiterhin mit Impact Investing befassen, um zu sozialen und ökologischen Lösungen beizutragen“, sagt Amit Bouri, CEO von GIIN. Er sagt weiterhin: „In den letzten zehn Jahren haben wir ein unglaubliches Wachstum und eine höhere Raffinesse beim Impact Investing verzeichnet. Trotz der Herausforderungen oder vielleicht auch aufgrund dieser Herausforderungen haben und werden sich viele Investoren weiterhin dem Impact Investing zuwenden, um zu sozialen und ökologischen Lösungen beizutragen. Investitionskapital spielt eine wichtige Rolle, um positive Auswirkungen auf unsere Gemeinden und unseren Planeten zu erzielen, und ich glaube, wir werden noch größere Möglichkeiten sehen, welche Auswirkungen Investitionen in diesem Moment und in den kommenden Jahren erzielen können.“
Investoren suchen Anlagelösungen für soziale und ökologische Herausforderungen
Die Zukunft des Impact Investing sieht rosig aus. So erwartet der US-amerikanische Vermögensverwalter Nuveen solide Chancen, da sich die Anleger verstärkt darauf konzentrierten, Anlagelösungen für soziale und ökologische Herausforderungen zusammen mit attraktiven finanziellen Erträgen zu finden. Das Spektrum der Möglichkeiten für institutionelle Anleger in Bezug auf Anlageklasse, Anlagegröße und gewünschtes Risiko-Rendite-Profil habe in den vergangenen Jahren zugenommen. Und beim Finanzdienstleister SVX heißt es, es stünden hohe Summen zur Verfügung, um das Feld der Impact Investitionen zu unterstützen. Dies kann zu zwei Ergebnissen führen. Erstens scheinen Geld und Finanzdienstleistungsorganisationen den Kapitalströmen zu folgen. Bei der aktuell hohen Liquidität an den Kapitalmärkten ist dieser Trend sozusagen eine selbsterfüllende Prophezeiung. Dem Impact Investing-Trend folgend könne es zu einem weiteren Kapitalwachstum und einer größeren Anzahl großer, mittlerer und kleiner Institute kommen. Zweitens sollte es für Unternehmer und Gemeinden eine größere Auswahl an Möglichkeiten geben, auf Kapital zuzugreifen, um ihre Wirkungsorientierung zu starten oder zu skalieren.
Die vergleichsweise niedrigen Zahlen in Deutschland beruhen vor allem auch auf unterschiedlichen Messmethoden zur Anglo-amerikanischen Welt, wo der Wohlfahrtstaat ganz anders aufgebaut und deutlich schlechter finanziert ist, sodass private Investitionen dort einen höheren Anteil haben. In Deutschland ist die Frage zu stellen, ob nicht auch Investitionen von kirchlichen Organisationen wie die Diakonischen Werke, Johanniter- oder Malteser Orden oder vielen anderen Organisationen der Wohlfahrt mit ihren Projekten eigentlich dem Impact Investment zumindest gedanklich zugeordnet werden müssten. In diesem Bereich gibt es starke systemische Unterschiede zwischen den Ländern, da die Finanzierung des Wohlfahrtstaates in Deutschland vor allem auf Spendenaufkommen beruht.
Zwar steckt der gesamte Markt generell noch in den Kinderschuhen. Zum Vergleich: Zum Ende des ersten Quartals 2020 belief sich das weltweit verwaltete Aktienfondsvermögen auf eine Summe von rund 17,8 Billionen Euro. Aber das Impact Investing sieht eine Entwicklung, die zeigt, dass sich Investoren zunehmend der Probleme in der Welt bewusst werden und wirkungs- und lösungsorientiert vorgehen wollen. Eine Benchmark liefert der Markt der ESG-Investments: Die Privatanleger in Deutschland haben ihre Investments in Nachhaltige Geldanlagen in 2019 von 9,4 Milliarden Euro auf 18,3 Milliarden Euro gesteigert, und insgesamt waren Ende 2019 269,3 Milliarden Euro in Anlageprodukte investiert, die Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien explizit in den Anlagebedingungen festschreiben. Das meldet das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG). Die Bundesinitiative Impact Investing meint dazu, dass das Impact Investing deutlich schneller wächst, wenn auch noch auf niedrigerem absolutem Niveau. Der Impact Investing-Trend hat also gerade erst begonnen.