Die steigende Relevanz von Impact Investments in der Finanzwelt unterstreicht ihre Rolle als essenzieller Bestandteil des Investment-Spektrums. Dennoch bleiben wichtige Fragen zur Messung ihrer Wirksamkeit offen. Das kürzlich von Prof. Dr. Timo Busch, Eric Prüßner und Hendrik Brosche veröffentlichte White Paper „Principles for Impact Investments: Practical Guidance for Measuring and Assessing the Life Cycle, Magnitude, and Tradeoffs of Impact Investments“ präsentiert 18 Prinzipien, die einen bedeutsamen Schritt zur Beantwortung dieser Fragen darstellen. Im Folgenden lesen Sie eine exklusiv für das impact investing magazin verfasste deutschsprachige Zusammenfassung des Papers.
Einführung
Laut Global Sustainable Investment Alliance (2023) werden bei bis zu 24% des weltweit professionell verwalteten Vermögens Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte (ESG) in den Anlageprozess einbezogen. Impact Investments erhalten dabei besondere Aufmerksamkeit. Ein kürzlich veröffentlichtes White Paper (Busch et al., 2023) schlägt 18 Prinzipien zur Messung und Bewertung der Wirkung von Impact Investments vor. Es beantwortet Fragen wie: Können Impacts zwischen Investoren[1] übertragen werden? Wann liegt ein signifikanter Unternehmens-Impact vor? Reicht beispielsweise eine Reduktion der CO2-Emissionen um 10 Tonnen oder müssen es 1.000 Tonnen sein? Wie sollte mit Zielkonflikten zwischen verschiedenen Impacts umgegangen werden? Die Autoren möchten damit zur Diskussion über Impact Investments beitragen und eine Leitlinie für die Messung und Bewertung von Impact vorschlagen.[2]
Grundlagen der Wirkungsmessung
Das White Paper nutzt die verbreitete Definition der Impact Management Platform (IMP, 2023a), wonach Impact „die Auswirkungen des Handelns von Organisationen auf Menschen und die natürliche Umwelt” ist. Es unterscheidet dabei zwischen Unternehmens-Impact und Investor-Impact. Der Unternehmens-Impact bezieht sich auf die Auswirkungen, die die Aktivitäten des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft haben. Der Investor-Impact hingegen bezieht sich auf Auswirkungen, die die Aktivitäten des Investors verursachen (vgl. hierzu auch Brest & Born, 2013; Kölbel et al., 2020).
Der Artikel unterscheidet wie die G7 Impact Taskforce (2021) und die Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA, 2023) außerdem zwischen wirkungskompatiblen und wirkungseffektiven Investitionen. Wirkungskompatible Investitionen wählen Titel mit positivem Unternehmens-Impact aus. Hier muss der der Unternehmens-Impact nicht mit den Aktivitäten des Investors zusammenhängen. Bei wirkungseffektiven Investitionen unterstützt der Investor das Unternehmen dabei, einen positiven Unternehmens-Impact zu haben.
Die Additionalitäts-Diskussion
Das White Paper schlägt vor, statt „Additionalität” den Begriff „Investorbeitrag” zu verwenden. Additionalität wird meistens so verwendet, dass eine Aktivität die einzige oder hinreichende Ursache für eine Veränderung ist. Dies ist allerdings in der Praxis nur schwer zu beweisen ist. Zusätzlich wird Additionalität in verschiedenen Anwendungsgebieten wie der Entwicklungsfinanzierung mit einer anderen Bedeutung verwendet. Dies führt zu Verwirrung beim Austausch über verschiedene Anwendungsgebiete hinweg.
Stattdessen empfiehlt das White Paper die Nutzung des Begriffs „Investorenbeitrag” im Sinne des Global Impact Investment Networks (GIIN, 2023). Demnach umfasst der Investorenbeitrag Maßnahmen des Investors, um das Unternehmen bei der Erzielung eines Impacts zu unterstützen. Diese Definition entspricht dem Verständnis verschiedener etablierter Standardsetzern wie beispielsweise DVFA, FCA, IMP, OECD und UN.
Sind Impacts zwischen Investoren übertragbar?
Eine wichtige Frage bei der Messung der Wirkung von Impact Investments ist, ob Impacts von einem Investor auf einen anderen übertragen werden können. Das White Paper orientiert sich dabei an der DVFA (vgl. „Fungibilität”) und unterscheidet zwischen den beiden Arten von Impacts. Unternehmens-Impacts können im Allgemeinen von einem Investor auf den anderen übertragbar werden (Prinzip 5). Dies ist insbesondere für wirkungskompatible Investitionen relevant, wo der neue Investor entsprechend zu dem übertragenen Anteil der Investition (zusätzlich) in dem Unternehmen investiert ist. Im Gegensatz dazu ist Investor-Impact nicht übertragbar (Prinzip 6). Dies ist für wirkungseffektive Investitionen relevant, da der Investor selbst zum Unternehmens-Impact beigetragen haben muss.
Was ist ein signifikanter Unternehmens-Impact?
Das White Paper schlägt vor, dass wirkungskompatible und wirkungseffektive Investitionen nur dann als solche gelten, wenn sie auf signifikanten Unternehmens-Impacts basieren (Prinzip 7). Zur Bestimmung der Signifikanz sollten wissenschaftlich ermittelte oder auf festgelegten Normen basierende Schwellenwerte herangezogen werden (Prinzip 8). Diese Schwellenwerte definieren, welche sozialen und ökologischen Beiträge ein Unternehmen leisten muss, um Ziele für eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen (IMP, 2023b). Auf globaler Ebene sind Beispiele hierfür das Sustainable Development Goal 2 „Kein Hunger bis 2030“ oder die Begrenzung der atmosphärischen CO2-Konzentration zur Einhaltung des Pariser 2-Grad Ziels. Zur Bestimmung, ab wann ein Unternehmens-Impact signifikant ist, müssen diese globalen Schwellenwerte auf die Unternehmensebene heruntergebrochen und verteilt werden. Beispielsweise kann von einem signifikanten Unternehmens-Impact gesprochen werden, wenn ein Unternehmen seine CO2-Emissionen zur Erreichung des 2 Grad Ziels jährlich um 5.000 Tonnen reduzieren muss und das Unternehmen diese Menge erreicht oder sogar übertrifft.
Diese Art der Bestimmung von signifikanten Unternehmens-Impacts wird bereits in der Praxis angewandt. Beispielsweise unterscheidet der IMP auf Basis von Schwellenwerten drei Arten von Unternehmens-Impacts (IMP, 2023c):
- „A“-Impacts: Der ökologische oder soziale Fußabdruck verbessert sich, bleibt aber unter dem Schwellenwert.
- „B“-Impacts: Der ökologische oder soziale Fußabdruck liegt über dem Schwellenwert und bleibt kontinuierlich dort bzw. wird noch weiter verbessert.
- „C“-Impacts: Der ökologische oder soziale Fußabdruck lag unter dem Schwellenwert und verbessert sich auf ein Niveau, welches über dem Schwellenwert liegt.
B- oder C-Impacts sind signifikante Unternehmens-Impacts, da der Impact zu einem sozialen oder ökologischen Fußabdruck führt, der in beiden Fällen den Schwellenwert übersteigt.
Wie geht man bei fehlenden Informationen vor?
Es gibt allerdings viele soziale oder ökologische Themen, für die keine wissenschaftlich oder normativ begründeten Schwellenwerte und Allokationsmethoden existieren. Außerdem können laut White Paper auch bestimmte Unternehmens-Impacts signifikant sein, die gemäß der IMP-Klassifizierung als „A“-Impacts klassifiziert werden. Daher schlägt das White Paper übergangsweise eine zweite Perspektive zur Bestimmung der Signifikanz von Unternehmens-Impacts vor, bei der relative Performanceverbesserungen herangezogen werden (Prinzip 9).
Damit die relative Performanceverbesserung einer absoluten Veränderung in der realen Welt entspricht, wird der soziale oder ökologische Fußabdruck eines Unternehmens mit seiner eigenen historischen Performance verglichen. Somit ist ein Unternehmens-Impact signifikant, wenn sich der Fußabdruck verglichen zu seiner eigenen historischen Performance im Durchschnitt um einen zuvor definierten Mindestprozentsatz jährlich verändert (z.B. 5%). Alternativ nutzt man als Vergleichswerte die Verbesserungsraten seiner Branche. Somit ist ein Unternehmens-Impact signifikant, wenn die Verbesserung zu den besten in seiner Branche gehört (z.B. 10%). Veränderungen, die unter diesen Mindestsätzen liegen, werden als inkrementell betrachtet. Die genauen Prozentsätze werden aktuell noch diskutiert.
Wie sollte mit Zielkonflikten umgegangen werden?
Der Umgang mit Zielkonflikten bei Aktivitäten mit zeitgleich positiven und negativen sozialen oder ökologischen Auswirkungen ist noch ungeklärt. Beispielsweise sind Elektroautos bei Verwendung erneuerbarer Energien in der Nutzungsphase umweltfreundlicher als Autos mit fossilen Treibstoffen. Die Herstellung der Elektro-Batterien ist jedoch energieintensiv und benötigt Seltene Erden, die teilweise unter unmenschlichen Bedingungen abgebaut werden. Das White Paper schlägt daher vor, dass Investoren sowohl die positiven als auch die negativen Impacts messen und berichten sollen (Prinzip 16). Zusätzlich sollen Investoren erläutern, wie die negativen Impacts im Laufe der Zeit verringert werden.
Ungeklärt ist, ob verschiedene Impacts aggregiert werden können. So gibt es beispielsweise das Risiko, dass Zielkonflikte versteckt werden, wenn Impacts in verschiedenen Kategorien (z.B. CO2-Emissionen und Menschenrechtsverletzungen) in einem Indikator zusammengefasst werden. Das White Paper empfiehlt daher, dass Auswirkungen nur innerhalb derselben Impact-Kategorie aggregiert werden sollten wie beispielsweise CO2- und Methanemissionen bei der Messung von Treibhausgasemissionen (Prinzip 17). Diese aggregierbaren Impact-Kategorien sollten sich an bestehenden Standards orientieren, wie beispielsweise der Lebenszyklusanalyse (LCA).
Fazit: Weitere Standardisierung notwendig
Impact Investments sind ein wesentlicher Bestandteil der Investment-Landschaft geworden. Einige essentielle Fragen der Wirkungsmessung sind allerdings noch unbeantwortet. Die 18 Prinzipien des White Papers stellen einen wichtigen Zwischenschritt zur Beantwortung dieser Fragen dar. Damit trägt das White Paper auch dazu bei, eine praktisch nutzbare Wirkungsmessung und -bewertung von Impact Investments zu etablieren. Zeitgleich ist allerdings auch klar, dass die Entwicklung eines etablierten – und vor allem von vielen Akteuren getragenen – Standards zur Wirkungsmessung von Impact Investments weitere Arbeit benötigt. Die Autoren des White Papers freuen sich daher über Rückmeldungen zu den vorgeschlagenen Prinzipien, um diese in Zukunft weiter zu entwickeln und schärfen.
Das englischsprachige White Paper von Prof. Dr. Timo Busch, Eric Prüßner und Hendrik Brosche ist hier abrufbar.
Eine PDF-Version dieses Gastbeitrags von Prof. Dr. Timo Busch, Eric Prüßner und Hendrik Brosche inkl. Quellenangaben erhalten Sie hier.
[1] Zur besseren Lesbarkeit wird in diesem Beitrag das generische Maskulinum verwendet. Die in diesem Beitrag verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.
[2] Die Autoren möchten Roland Kölsch und Matthias Stapelfeldt, sowie mehreren Kolleginnen und Kollegen der Sustainable Finance Research Group der Universität Hamburg für hilfreiche Diskussionen und wertvolles Feedback während der Entwicklung des White Papers danken.