Pläne der EU-Kommission: Kann Atomenergie nachhaltig sein?

Die EU-Kommission will Atomkraft als klima- und umweltfreundlich einordnen. Damit würden Investitionen in Atomenergie als nachhaltig gelten. Ein solches Ökosiegel für Atomkraft erscheint vielen Beobachtern aber eher als irritierend. Denn aufgrund der Risiken der Atomkraft ist fraglich, inwiefern diese Form der Energieerzeugung wirklich umweltfreundlich sein kann.

Es ist wohl eine der maßgeblichen Nachrichten zum Jahresbeginn: „Die Europäische Kommission hat den Konsultationsprozess mit einer Sachverständigengruppe der Mitgliedstaaten für nachhaltiges Finanzwesen und der Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen zum Entwurf einer ergänzenden Taxonomie-Rechtsverordnung über bestimmte Erdgas- und Kernenergieaktivitäten eingeleitet“, heißt es in einer Pressemitteilung der EU-Kommission. Das bedeutet: Die EU-Kommission hat ein Gesetz vorgeschlagen, mit dem Kern- und Gaskraftwerke als nachhaltig eingestuft werden können. 

Zur Einordnung: „Die EU-Taxonomie soll helfen, private Investitionen zu mobilisieren und Anlegern und Investoren Orientierung zu geben, welche Aktivitäten dabei helfen, in den nächsten 30 Jahren klimaneutral zu werden. Der derzeitige Energiemix in Europa variiert stark von einem Mitgliedstaat zum anderen. Einige Regionen Europas setzen beispielsweise immer noch stark auf das Verbrennen von Kohle, was mit hohen Kohlenstoffemissionen verbunden ist. Die Taxonomie listet Arten der Energieerzeugung auf, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen, sich von ihren sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen aus in Richtung Klimaneutralität zu bewegen.“

270 Milliarden Euro jährliche Investitionen notwendig

Damit fokussiert die EU-Kommission die Weiterentwicklung des nachhaltigen Investierens. Im Zuge des Pariser Nachhaltigkeitsabkommen und dem Ziel, bis 2050 CO2-Neutralität herzustellen, ist eine Initiative für Nachhaltigkeit in der Europäischen Union geschaffen worden, die unter anderem so viel privates Kapital wie möglich in nachhaltige Investments führen will. Bis zu 270 Milliarden Euro seien jährlich an Investitionen notwendig, um diese nachhaltigen Ziele zu erreichen, so die EU-Kommission. Und um die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu erreichen, werden laut Schätzungen der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung bis 2030 jedes Jahr 2,5 Billionen US-Dollar benötigt. Daher können gezielte Investments zum Kampf gegen den Klimawandel beitragen.

Warnung vor „Entwertung“ der Taxonomie

Die „Süddeutsche Zeitung“ erklärt: „Der sogenannte delegierte Rechtsakt der Kommission verlangt, dass die Kernkraftwerke modernste Sicherheitsstandards erfüllen und die Regierungen zudem ein Konzept haben, wie sie bis spätestens 2050 ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle einrichten wollen. Profitieren können Neubauten, die bis 2045 genehmigt sind, sowie Investitionen, um bestehende Meiler länger am Netz zu halten.“

Vielen Beobachtern gilt ein solches Ökosiegel für Atomkraft aber als irreführend, Umweltgruppen sind naturgemäß entsetzt. Der SPD-Europaabgeordnete Joachim Schuster warnt laut „Süddeutsche Zeitung“ vor einer „Entwertung“ der Taxonomie, und die Grünen-Europaabgeordnete Jutta Paulus klagt demnach über „zerstörte Glaubwürdigkeit“. Eine breite Mehrheit, welche die Brüsseler Pläne noch verhindern könnte, sei aber nicht in Sicht. In der Folge könnten beispielsweise Ökofonds ohne weitere Aktien von Kernkraftwerks-Betreibern erwerben und trotzdem Taxonomie-konform investieren.

Impact Investing heißt die Lösung

Was also können ökologisch orientierte Investoren tun, um sich nicht dem Risiko von Atominvestments bei vermeintlich grünen Anlagen auszusetzen? Denn aufgrund der Risiken der Atomkraft ist fraglich, inwiefern diese Form der Energieerzeugung wirklich umweltfreundlich sein kann. Die Antwort darauf lautet: Impact Investing. Impact Investoren haben die Chance, durch gezielte Investments in unmittelbare klima- und umweltfreundliche Projekte und Unternehmen ihr Anliegen sichtbar zu machen. Sie machen sich von gegebenenfalls ökologisch fragwürdigen Fondsinvestments unabhängig und können durch passende Strategien die ökologische Wende vorantreiben. 

Damit erreichen sie eine Kapitalinvestition mit dem Ziel, eine ökologische Wirkung zu entfalten und eine finanzielle Rendite zu generieren. Durch Investments in Unternehmen und Projekte, die sich dem Kampf gegen den Klimawandel verschreiben, können Anleger:innen also einen direkten Beitrag für den Umweltschutz leisten.

Über den Autor: Prof. Dr. Patrick Peters, MBA

Prof. Dr. Patrick Peters, MBA ist Professor für PR, Kommunikation und digitale Medien und Prorektor an der Allensbach Hochschule, Wirtschaftspublizist und Kommunikationsberater. Er befasst sich seit vielen Jahren mit der Finanzindustrie und berät vor allem Vermögensverwalter, Finanzdienstleister und Unternehmen, die sich dezidiert mit dem Thema der Nachhaltigkeit befassen. Er hält einen MBA mit Fokus auf Leadership und Ethik. Er ist Chefredakteur von impactinvestings.de.

Prof. Dr. Patrick Peters
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