Impact Investing im Single Family Office – Teil 1

Dr. Johannes Knorz setzt sich in seinem großen Fachbeitrag mit Impact Investing im Single Family Office auseinander. Wir veröffentlichen den Aufsatz in mehreren Teilen. Erster Teil: Einleitung, Begriff und Abgrenzung.

Märkte nutzen ist wie Prosa sprechen: Viel hängt davon ab, welche Prosa wir sprechen wollen.“ Amartya Sen

Die Menschheit wie auch jeder Einzelne von uns stehen vor der Erkenntnis, dass der bisherige Umgang mit unseren Ressourcen und Lebensbedingungen zunehmend in eine irreversible Sackgasse führt. Die Autorin Maja Göpel bringt es auf den Punkt: 

„Längst hat sich ein Gefühl von Zeitenwechsel in unsere Wahrnehmung von der Welt eingeschlichen. Unsere Gegenwart wirkt zerbrechlich, während unsere Zukunft unaufhaltsam auf jene Szenarien zuzulaufen scheint, die wir aus Weltuntergangsfilmen kennen. Aus den von der Moderne so sehr geförderten Utopien sind Dystopien geworden. Aus unserem Vertrauen in die Zukunft Sorge und Angst. Was im kleineren Maßstab gute Lösungen und hohen Komfort versprach, ist, global aufsummiert, zur Bedrohung geworden.“ (Göpel 2020, S. 13)

Die Corona-Pandemie und vielleicht noch mehr die Klimakrise führen uns das sehr drastisch und konkret vor Augen. Beide wirken als eine Art Katalysator und machen uns so deutlicher denn je: Nur wenn wir unser ökologisches und soziales Verhalten grundlegend hin zu einem wirklich nachhaltigen Zusammenspiel des Menschen mit seinem Lebensraum verändern, ist eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten überhaupt noch möglich. Alternativen hierzu gibt es nicht mehr.

Für uns als Vermögensinhaber und -verwalter – und damit als Investoren – führt diese Erkenntnis zu einer radikalen Umkehr. Statt unsere Investments wie in früheren Zeiten alleine an Rendite und Risiko auszurichten, kommt nunmehr ein weiteres zentrales Kriterium hinzu, eine Art „dritte“ und damit ganz neue Dimension. Und das ist die Frage nach der Wirkung, also wie wir mit unseren Investments einen konkreten Beitrag dazu leisten können, den beschriebenen Herausforderungen zu begegnen. Die Antwort hierauf gibt die Anlagestrategie des Impact Investing.

Schwerpunkt im unternehmerischen Tätigwerden

Selbstverständlich gibt es jenseits der Finanzwelt eine Vielzahl anderer, mindestens ebenso wichtiger Handlungsfelder, um die dringend notwendige ökologische und soziale Transformation unserer Gesellschaft voranzubringen. Genannt seien hier insbesondere staatliches und politisches Tätigwerden und Engagement, gemeinnützige Aktivitäten, aktivistische Maßnahmen und weitere sogenannte „Engagement Strategies“ (vgl. Busch/Bruce-Clark 2021, p. 9; Schwab/Mallert 2020, S. 223f.).

Auch die sogenannte intermediäre Tätigkeit ist hier zu nennen. Für uns selbst bildet sie das zweite tragende Element unserer Tätigkeit, etwa über die Bundesinitiative Impact Investing (https://bundesinitiative-impact-investing.de) oder das weltweite Netzwerk Toniic Institute (https://toniic.com).

Unseren Schwerpunkt setzen wir jedoch im unternehmerischen Tätigwerden. Dies zum einen schlicht deshalb, weil wir aus der Welt des Unternehmertums kommen und daher die Erfahrung, die finanziellen Instrumente und auch die Mittel dafür haben. Zum anderen aber, weil wir glauben, dass aus der Privatwirtschaft kommende Impulse schneller und wirkungsvoller sein können als etwa die von staatlichen Institutionen und Verbänden (vgl. Cohen 2021, S. 184; Ekkenga/Schirrmacher/Schneider 2021, S. 1513; ter Braak-Forstinger 2017, p. 19).

„Impact Investing im Single Family Office“ will zur Diskussion anregen

Ziel dieses Papers ist es, das Thema „Impact Investing im Single Family Office“ zu strukturieren und einen ersten groben Überblick über die wesentlichen Fragen zu geben. Auch will es zur Diskussion anregen, denn Vieles ist noch im Fluss. Grundlegend Neues wird das Fachpublikum in diesem Artikel hingegen nicht finden; in den Quellenangaben sind jedoch weiterführende Hinweise enthalten. 

Nach dieser Einleitung (Teil A.) soll daher zunächst versucht werden, den Begriff „Impact Investing“ etwas genauer zu verstehen und die wesentlichen Unterschiede zu anderen Anlagestrategien herauszuarbeiten (Teil B.). Daran anschließend werden die wesentlichen Elemente dieser Strategie detaillierter beleuchtet und einzelne Problempunkte zumindest kurz angerissen. Hierzu gehört insbesondere das Thema von Investitionen in den Sekundärmarkt, die Frage, wie man die Wirkung von Impact Investments eigentlich misst sowie das Phänomen des sogenannten „Impact Washing“ (Teil C.). In einem weiteren Abschnitt schließlich soll zumindest noch kurz eingegangen werden auf unseren finanzstrategischen Ansatz, der unsere Impact-Strategie ergänzt und vervollständigt (Teil D.). In der Schlussbetrachtung schließlich werden die wesentlichen Aussagen zum Thema Impact Investing noch einmal zusammengefasst und abschließend bewertet (Teil E.).

B. Begriff und Abgrenzung

  1. Der Begriff Impact Investing umfasst in Anlehnung an die Definition des Global Impact Investing Networks (GIIN) eine Investmentstrategie, die im Wesentlichen aus zwei zentralen Elementen besteht:
  • Die Investition in eine Organisation (Unternehmen, Projekt, Fonds etc.) zu dem ausdrücklichen Zweck, damit eine positive, klar erkennbare und auch messbare ökologische oder soziale Wirkung zu erzielen („Impact Return“) 

und

  • mit dieser Investition auch eine marktübliche finanzielle Rendite zu erzielen („Financial Return“).

Diese beiden Kriterien müssen kumulativ vorliegen und in Beziehung zueinanderstehen (vgl. https://thegiin.org/impact-investing/need-to-know/#what-is-impact-investing; ausführlich Ben Abid 2021, p. 9 ff.; Grabenwarter/Liechtenstein 2012, p. 7ff.). Ihre Gewichtung kann innerhalb des Gesamtportfolios jedoch unterschiedlich sein (vgl. Then/Schmidt 2020, S. 8). Auch innerhalb der einzelnen Anlageklassen weicht der Schwerpunkt zwischen „Impact Return“ und „Financial Return“ häufig voneinander ab. 

Zumindest momentan noch steht der „Financial Return“ häufig bei Immobilien-Investments im Vordergrund, während etwa bei Direktbeteiligungen und Fonds der „Impact Return“ zunehmend an Bedeutung gewinnt. Letzten Endes unterliegt dies jedoch immer der individuellen Ausgestaltung des jeweiligen Portfolios. Entscheidend dabei ist, dass die mit einem Investment angestrebten positiven sozialen oder ökologischen ebenso wie die finanziellen Ziele in Übereinstimmung stehen mit den individuellen Werten des Investors (vgl. ausführlich Emerson/Smalling 2015, p. 7).

Beim Impact Investing handelt es sich somit also ausdrücklich nicht, wie vielfach immer wieder behauptet, um eine eigenständige Assetklasse, sondern um eine Anlagestrategie über alle Anlageklassen hinweg (vgl. ausführlich Emerson/Smalling 2015, p. 2ff). Das primäre Feld für Impact Investments sind aktuell insbesondere Direktbeteiligungen in ökologisch und sozial richtungsweisende Unternehmen, meist über Fonds. Aber auch für Aktien, Anleihen und Immobilien und damit als Gesamt-Anlagestrategie ist das Impact Investing ideal geeignet (vgl. Brock/Knorz 2020, p. 11f.; Bruns/Meyer-Bullerdiek 2020, S. 344; Busch/Bruce-Clark 2021, p. 8; Godecke/Briaud 2020, p. 31).

Die Strategie des Impact Investing ist daher die Lösung für das seit Jahrzehnten diskutierte Dilemma, wie Wirkungskriterien mit Profitabilitätskriterien in Einklang gebracht werden können. 

Wirtschafts- und Finanzsystem von Grund auf zu reformieren

Bisher waren diese beiden Bereiche relativ klar voneinander getrennt. Entweder man tat „Gutes“, gab damit aber sein dafür aufgewendetes Kapital auf (klassisch: Spenden). Oder aber man konzentrierte sich ausschließlich auf den Profit, kümmerte sich dabei dann aber wenig bis gar nicht um die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf Mensch und Natur. Notfalls konnte man diese im Spendenwege ja wieder „gut machen“.

Erst mithilfe des Impact Investing können diese beiden bisher scheinbar unvereinbaren Gegensätze miteinander verknüpft und in Einklang gebracht werden. Es handelt sich damit um nicht weniger als einen grundlegenden Paradigmenwechsel, der das Potenzial hat, unser gesamtes Wirtschafts- und Finanzsystem von Grund auf zu reformieren (vgl. Ben Abid 2021, p. 24 f., 28; Cohen 2021, S. 25 ff.; Emerson/Smalling 2015, p. 14) und es tatsächlich vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen.

Denn anders als bloße ESG- beziehungsweise Nachhaltigkeitsansätze ist die Strategie des Impact Investing nicht nur auf „Gutes tun“, sondern zugleich auch auf eine marktübliche finanzielle Rendite gerichtet. Anders als etwa philanthropische Ansätze nutzt sie daher ganz bewusst die bereits bestehenden marktwirtschaftlichen Mechanismen, um „Gutes“ zu bewirken. Durch diese Verbindung von finanzieller und ökologischer oder sozialer Rendite ist es somit erstmals möglich, wirklich nachhaltige ökologische und soziale Investitionen aus ihrem Nischendasein herauszuführen und im Mainstream unserer auf Gewinnerzielung gerichteten Marktwirtschaft zu etablieren. Die bisherige künstliche Trennung eines Investments von seinen Auswirkungen wird damit überwunden (vgl. ausführlich Ben Abid 2021, p. 9 ff.).

Anschaulich umschrieben wird die Strategie des Impact Investing etwa von Godecke / Briaud mit „The need to apply impact to investing“ (Godecke/Briaud 2020, p. 178). Besonders klar auch Annie Chen: „Why commit to 100% impact investments? To invest in the future we want to create. To protect the commons upon which all life depends. To demonstrate that capital can be deployed with a higher purpose beyond financial return.“ (https://toniic.com/investing-to-protect-the-commons)

Impact Investing als „konsequenteste Stufe des nachhaltigen Investierens“

Peter Brock nennt das Impact Investing daher folgerichtig die „konsequenteste Stufe des nachhaltigen Investierens“ (Brock 2021a, Nr. 3; ähnlich Grabenwarter/Liechtenstein 2012, p. 8). Und nach Volckens hat das Impact Investing damit sogar das Potenzial, unsere Finanzordnung auf eine ganz neue Legitimationsgrundlage zu stellen:

„Eine derart ‚aufgeklärte‘ Finanzwelt, in der ein neuer, umfassenderer Renditebegriff Platz greifen wird und in der finanzielle Mittel zur Sicherung der Umwelt und der Lebensgrundlagen künftiger Generationen eingesetzt werden, erhält eine völlig neue Bedeutung und vielleicht sogar eine neue Legitimität. Denn die damit erzielte Rendite ist nicht eine individuell dem Investor zukommende, sondern vielmehr eine universelle Rendite, die auf unterschiedliche Art und Weise letztlich uns allen zufließt“. (Volckens 2021, S. 27)

Die Strategie des Impact Investings erstrebt also immer eine doppelte Rendite: Die direkte finanzielle, die unmittelbar dem Investor zukommt („financial return“). Darüber hinaus aber auch immer die ökologische oder soziale Rendite („impact return“) – und diese, das ist das Besondere, kommt notwendig eben gerade nicht nur dem Investor, sondern uns allen zugute. 

2. Impact Investing ist somit eine Anlagestrategie, die sich grundlegend von bisherigen Ansätzen unterscheidet:

  • Anders als beim Impact Investing ist das zentrale Instrument der traditionellen Philanthropie die Spende. Ermöglicht wird sie in der Regel über die Errichtung von Stiftungen oder die Unterstützung bereits bestehender gemeinnütziger Organisationen. Zuwendungen dieser Art sind schon allein deshalb keine „Investition“, weil das eingesetzte Kapital verbraucht wird; die Zuwendung „blutet“ also aus. Daher ist dieses Instrument schon vom Ansatz her eher punktuell und im Volumen zu limitiert, um die drängenden sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit systemisch und grundlegend anzugehen (vgl. Cohen 2021, S. 14; 91; 173). Darüber hinaus sind wir der Ansicht, dass marktwirtschaftlich organisierte Modelle grundsätzlich besser geeignet sind, innovative Projekte effizient umzusetzen und auch langfristig zum Erfolg zu führen. Dies allein schon deshalb, weil sie sich anders als philanthropische Modelle auf Dauer finanziell selbst tragen und daher ihre Ergebnisse auch kontinuierlich messen müssen (vgl. ausführlich Cohen 2021, S. 146). Ein Musterbeispiel hierfür ist etwa die Afrika GreenTec AG. Dieses Unternehmen versorgt abgelegene Regionen in Afrika mit vor Ort produziertem Solarstrom. Durch sog. Inselnetze versetzt sie die Bewohner ländlicher Räume auf der Basis eines kommerziellen Modells in die Lage, die Infrastruktur und damit ihre gesamte Lebens- und Arbeitswelt aus eigener Kraft zu verbessern (www.africagreentec.com). Dennoch hat die Philanthropie insbesondere durch Stiftungen für gemeinnützige oder wohltätige Zwecke in vielen Bereichen ihre unverzichtbare Daseinsberechtigung. Das gilt insbesondere da, wo marktbasierte Lösungen schlicht nicht möglich sind (vgl. de Schrevel 2021, p. 828f.; ausführlich Werkmüller 2019, S. 35, 515ff.). Im Übrigen gibt es gerade in jüngster Zeit durchaus Möglichkeiten und Ansätze, philanthropische mit Impact Investing-Strategien zu kombinieren, etwa über sog. Social Impact Bonds, Development Impact Bonds oder mehrstufige „Blended Finance Funds“ (vgl. ausführlich de Schrevel 2021, p. 835ff.; weitere Beispiele bei Cohen 2021, S. 33ff., 148ff.; 173ff.).
  • Als eine Art Gegenpol zur Spende ist das traditionelle Investieren anders als das Impact Investing ausschließlich an der finanziellen Rendite und damit allein an den kommerziellen Interessen des Investors ausgerichtet. Welchem Zweck diese Investition jedoch dient und welche Wirkung sie hat, ist hier irrelevant; sie erfolgt ohne inhaltliche und wertende Vorgaben.
  • Der sogenannte SRI-Ansatz („Socially Responsible Investing“) ist darauf ausgerichtet, mit dem Streben nach finanzieller Rendite jedenfalls keine ökologischen oder sozialen Probleme zu verursachen. Der Begriff ist recht schwammig, er wird von verschiedenen Akteuren und zum Teil auch in verschiedenen Regionen ganz unterschiedlich verwendet. Zum Teil wird auch von „werteorientiertem“, ethisch beziehungsweise ökologisch „nachhaltigem“ oder „sozial verantwortlichem“ Investment gesprochen. 

Allen diesen Spielarten ist jedoch gemein, dass der SRI-Ansatz anders als das Impact Investing ausschließlich auf die Vermeidung bestimmter ökologisch oder sozial nachteiliger Anlageformen gerichtet ist, jedoch gerade nicht auch positiv auf eine aktive ökologische oder soziale Wirkung (vgl. Hull 2021, p. 237).

  • Diesem Ansatz sehr ähnlich ist der ESG-Ansatz („Environmental, Social, Governance”) in der Form des „negative screening”. Er unterscheidet sich von dem SRI-Ansatz lediglich dadurch, dass in einem Negativkatalog ausdrücklich festgelegt wird, in welche Bereiche nicht investiert werden darf („Do no significant harm“, zum Beispiel Rüstung, Kinder- und Zwangsarbeit, Massentierhaltung, fossile Energien etc.) (vgl. ausführlich Busch/Bruce-Clark et al. 2021, p. 2ff.).
  • Weiter geht der ESG-Ansatz in der Form des „positive screening“. Hier unterliegt die jeweilige Investition neben dem genannten Negativkatalog auch einem Positivkatalog, also der Vorgabe, dass damit auch bestimmte positive Kriterien verfolgt werden müssen (zum Beispiel Klimaschutz, Förderung erneuerbarer Energien, Gendergerechtigkeit etc.). Es reicht jedoch aus, wenn eines oder mehrere dieser positiven Kriterien zumindest auch beachtet werden – anders als beim Impact Investing müssen sie aber kein „integraler Bestandteil des Geschäftsmodells“ selbst sein (vgl. Busch/Bruce-Clark et al. 2021, p. 2 ff.).

Begriff des „bewussten Investierens“ („Conscious Investing“) sehr wichtig

3. Diese Entwicklung von der Philanthropie über das klassische Investieren hin zu ESG- und schließlich Impact Investment-Ansätzen beschreibt nicht nur eine Entwicklung von Anlagestrategien in zeitlicher Hinsicht; sie schließen sich im Übrigen auch nicht notwendig aus. Gerade in Bereichen, die einem funktionierenden Geschäftsmodell und damit einem „Investment“ nicht zugänglich sind, ist die Philanthropie wie dargelegt unverzichtbar.

Häufig zeigt sich diese Entwicklung übrigens auch in der Person des einzelnen Investors selbst. So ist es immer wieder zu beobachten, dass die Strategie des Impact Investing am Ende einer langjährigen auch persönlichen Entwicklung eines Investors steht; sie führt zu einer Art Wertekompatibilität des Investors mit seinen Investitionsentscheidungen und -objekten. Auch wir haben mit unserem Family Office diese Entwicklung durchlaufen. Der Begriff des „bewussten Investierens“ („Conscious Investing“) beschreibt dies sehr treffend (vgl. ter Braak-Forstinger 2017, p. 1 ff.).

Besonders auffällig ist diese Entwicklung bei jungen Menschen: Gerade jüngere Generationen, insbes. die sogenannten „Millenials“, also die seit etwa 1980 Geborenen, sind deutlich weniger auf rein finanziellen Profit fokussiert als die vorangehenden Generationen. Sie haben daher eine besonders starke Affinität zum Impact Investing (vgl. Ben Abid 2021, p. 18f.; Cohen 2021, S. 86; Volckens 2021, S. 27).

Für uns als Single Family Office verläuft die entscheidende Trennlinie zwischen dem „ESG-Ansatz negative screening“ auf der einen und dem „ESG-Ansatz positive screening“ auf der anderen SeiteDenn erst das „ESG-positive screening“, und erst recht dann das Impact Investing selbst, richten die jeweilige Investition an einem positiven, in die Zukunft gerichteten Zweck in der Realwirtschaft aus (ausführlich unten unter C.). Wir nennen sie daher auch (positiv ausgerichtete) Entwicklungsstrategien

Demgegenüber bezwecken das „ESG-negative screening“ wie auch der sogenannte SRI-Ansatz die bloße Reduzierung von negativen Auswirkungen eines Investments auf Mensch und Natur. Wir nennen sie daher (negativ ausgerichtete) bloße Vermeidungsstrategien. Diese sind zwar ein notwendiger erster Schritt bei der Auswahl eines Investments, greifen im Ergebnis zumindest aus unserer Sicht jedoch zu kurz, um die dringend notwendige Transformation unserer Wirtschafts- und Finanzordnung aktiv nach vorne zu bringen. 

Unterscheidung zwischen bloßen „Impact-aligned Investments“ und den „Impact-generating Investments“

4. In seinen konkreten Ausformungen und Verästelungen ist der Begriff des Impact Investings bis heute nicht abschließend definiert.

So ist neuerdings etwa häufig mit guten Begründungen auch die Rede von „Wirkungsorientiertem Investieren“ (vgl. Bertelsmann Stiftung 2016, S. 3; Lessing 2020, S. 119), dem bereits genannten „Conscious Investing“ (vgl. insbes. ter Braak-Forstinger 2017, p. 1ff.), „Integral Investing“ (vgl. Bozesan 2020, p. 128ff.), „True Impact Investing“ (vgl. Grabenwarter/Liechtenstein 2012, p. 7) oder auch dem sogenannten „Deep Impact Investing“ (vgl. https://www.thinknpc.org/wp-content/uploads/2018/06/In-pursuit-of-deep-impact_NPC_KLF-Digital-1.pdf).

Auch die Unterscheidung zwischen bloßen „Impact-aligned Investments“ und den „Impact-generating Investments“ sei an dieser Stelle zumindest genannt (vgl. Busch/Bruce-Clark et al. 2021, p. 1) Ebenso die bereits erwähnte und auf die jeweilige Gewichtung abstellende Unterscheidung von Impact Investments zwischen „Financial First“ gegenüber „Impact First“ (vgl. Ben Abid 2021, p. 15, 23f.)

Zumindest in ihrer Grundstruktur stimmen all diese Begriffe im Wesentlichen jedoch überein. Sie alle verbindet, in den Worten von Christin ter Braak-Forstinger: „Invest in a world of solutions and earn money.“ (ter Braak-Forstinger 2017, p. 17)

Wir selbst halten uns insoweit an die angenehm pragmatische Empfehlung von Justin Rockefeller:

„Don´t get bogged down in evolving terminology; think of Impact Investing as a framework; impact investments intend to generate financial return and measurable social or environmental benefits.” (De Morais Sarmento/Hermann 2021, p. XII)

Beispiele von Impact Investing-Unternehmen

5. Zur Veranschaulichung im Folgenden noch einige Beispiele von Unternehmen, die den Anforderungen an ein Impact Investment unserer Ansicht nach ideal entsprechen und in denen wir uns daher im Wege von Direktbeteiligungen engagieren:

  • Die Firma Veganz aus Berlin trägt ähnlich wie die Firma Beyond Meat aus den USA dazu bei, Fleischersatz- und andere vegane Produkte flächendeckend zu etablieren. Dies dient nicht nur offenkundig dem Tierwohl, sondern leistet auch einen ganz wesentlichen Beitrag zur Reduktion des CO2-Ausstoßes; und wirtschaftlich erfolgreich ist es obendrein. Für uns ein Musterbeispiel eines Impact Investments (www.veganz.de).
  • Im Allgäu wird ab Juli 2022 ein innovatives Schnellladenetz für Elektromobilität entstehen. Das Cleantech-Unternehmen Numbat setzt dabei auf hochwertige und nachhaltige „Multi-Lifecycle-Batteriezellen“. Der Speicher mit integrierter Schnellladetechnologie wird ausschließlich mit Erneuerbaren Energien geladen und kann überall ans Stromnetz angeschlossen werden, ohne dieses erst aufwändig ausbauen zu müssen (www.numbat.energy). Insgesamt ist dies ein somit gleich in mehrfacher Hinsicht konkreter und wertvoller Beitrag zum Umweltschutz und zugleich wirtschaftlich sehr vielversprechend.
  • Die Firma itsmydata aus München hat es sich zum Ziel gesetzt, dem Einzelnen die Souveränität über seine persönlichen Daten wieder zurückzugeben. Gerade diese persönlichen Daten wurden in den letzten Jahren zunehmend von großen Konzernen wie Google, Facebook und Amazon wirtschaftlich äußerst erfolgreich ausgebeutet, in aller Regel jedoch ohne jegliche Vergütung oder auch nur Wissen der tatsächlich Berechtigten. Itsmydata möchte dies ändern und stellt daher die Datensouveränität des Einzelnen wieder in den Mittelpunkt. Ganz gleich, ob er seine Daten verstehen, teilen, löschen oder an deren Wert partizipieren will – itsmydata gibt die Kontrolle über die Daten wieder dem, dem sie tatsächlich gehören, nämlich jedem Einzelnen von uns. Ein aus unserer Sicht gesellschaftlich sehr wichtiges und auch wirtschaftlich überzeugendes Geschäftsmodell (www.itsmydata.de).
  • Unter der Marke Regionique schließlich hat die Produktfabrik GmbH die erste Lebensmittelmarke eingeführt, die die für ihre Produkte aufgewendeten Kilometer bilanziert und nachweist. Die Zutaten werden nicht wie üblich aus aller Welt eingeflogen, sondern kommen ausschließlich aus Deutschland; ihre genaue Herkunft wird per individuellem Zutaten-Tracker transparent und für den Kunden bis ins Detail nachvollziehbar veröffentlicht. Bei verarbeiteten Lebensmitteln ein absolutes Novum. Als ein durch und durch nachhaltiges Geschäftsmodell hat uns dies von Anfang an überzeugt. Denn es verhindert den unsinnigen Transport von Zutaten aus aller Welt und dokumentiert dies auch ganz transparent und überprüfbar; darüber hinaus hat es aufgrund seiner einzigartigen Stellung im Markt auch ein enormes wirtschaftliches Potenzial (www.regionique.de).

Der Autor dankt an dieser Stelle Peter Brock (4L Capital AG) und Prof. Dr. Patrick Peters (Klare Botschaften) für ihre wertvollen Hinweise.

Über den Autor: Dr. Johannes Knorz, LL.M.

Dr. Johannes Knorz, LLM., ist Vorsitzender des Impact Committee der 4L Capital AG und Geschäftsführer der 4L Vision GmbH sowie Rechtsanwalt, Gründer und Inhaber der Kanzlei 4L Legal. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften ist Dr. Johannes Knorz seit 1997 als selbstständiger Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz zugelassen.

Seit 2016 leitet er zusammen mit Ralph Suikat die 4L Vision GmbH – weil er davon überzeugt ist, dass sich ein gutes Investment nicht nur durch eine finanzielle Rendite auszeichnen muss. Mindestens ebenso wichtig ist für ihn ein sozialer oder ökologischer Return.

Dr. Johannes Knorz
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