„Impact Investing muss auch für kleine Sparer attraktiv werden“

Dr. Johannes Knorz ist Rechtsanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und einer der beiden Geschäftsführer von 4L Vision GmbH, die mit Impact Investings zur Lösung ökologischer, gesellschaftlicher und sozialer Probleme beitragen will. Dr. Johannes Knorz ist auch ein regelmäßiger Autor des Impact Investing Magazin. 

Immer wieder wird beklagt, dass Impact Investing noch nicht eindeutig definiert wäre und es dadurch zu Unklarheiten kommt. Ist das tatsächlich ein schwerwiegendes Problem oder hat sich die Situation mittlerweile gebessert?

Dr. Johannes Knorz: Ich sehe das nach wie vor als eine der zentralen Herausforderungen. Auch wenn der Begriff selbst inzwischen relativ klar ist und sich aus zwei Komponenten zusammensetzt. Zum einen muss eine Investition dem Zweck folgen, eine klar erkennbare und messbare ökologische oder soziale Wirkung zu erzielen. Und zum anderen muss mit dieser Investition zugleich auch eine marktübliche finanzielle Rendite angestrebt werden. Dennoch wird der Begriff Impact Investing immer wieder vermengt mit anderen Begriffen, insbesondere mit ausschließlich nachhaltigen oder ESG-Investments. Deren Anforderungen sind jedoch deutlich geringer und begnügen sich in der Regel damit, bestimmte negative Kriterien auszuschließen. Wer nachhaltig investiert, macht damit also noch lange kein Impact Investment.

Welche Möglichkeiten gibt es überhaupt, gegen falsche Impact Investing-Angebote vorzugehen und wie kann ein unerfahrener Investor feststellen, dass es sich um eine Mogelpackung handelt? Gibt es Organisationen, die man in solchen Fällen kontaktieren kann?

Dr. Johannes Knorz: Ich halte es für elementar, dass der Begriff des Impact Investing mit seinen sehr hohen Standards von Angeboten rein nachhaltiger Investments abgegrenzt wird, etwa der ESG-Kriterien oder klassischer Investments, die die Wirkung einer Vermögensanlage häufig nicht berücksichtigen. Hierfür bedarf es sicherlich weiterer Aufklärung durch die Medien, aber auch die Finanzbranche selbst. Zunehmend bauen jedoch auch die Verbraucherzentralen Kompetenz auf, an die sich eher unerfahrene Investoren wenden können. Sehr kompetent ist hier nach meinem Eindruck etwa die Bürgerbewegung Finanzwende e.V.

Sehen Sie Impact Investing mittelfristig auch im Portfolio der „kleinen Sparer“, wo es aktuell in Deutschland noch nicht angekommen ist. 

Dr. Johannes Knorz: Das halte ich sogar für ein ganz wesentliches Element des Impact Investing. Es muss auch für kleine Sparer attraktiver werden. Wir können nicht einerseits zentral auf die Wirkung unserer Investitionen abstellen, um damit „die Welt ein bisschen besser zu machen“, diese Möglichkeit andererseits aber nur den Vermögenden einräumen. Meiner Ansicht nach müssen Investitionen in nachhaltige, ökologische und soziale Unternehmungen allen Bevölkerungs- und Einkommensschichten offenstehen. Inzwischen gibt es hier auch konkrete Angebote. Wir selbst haben beispielsweise den 4L Capital Impact Aktienfonds (WKN: A3C6AK) aufgelegt. Damit kann man schon mit kleinen monatlichen Beträgen in stark wirkungsorientierte Unternehmen investieren. 

Ein wichtiger Indikator dafür, wie sehr sich eine Investmentform etabliert hat, ist auch die sie umschließende Infrastruktur. So gibt es u.a. Anwälte, die sich auf Aktienrecht spezialisiert haben. Gibt es solche Kanzleien auch schon für den Bereich Impact Investing? 

Dr. Johannes Knorz: Auch hier tut sich momentan einiges. Gerade im Hinblick auf die Regulatorik, insbesondere auch die sogenannte EU-Taxonomie, gibt es großen Beratungsbedarf. Dies betrifft nicht nur Anwaltskanzleien, sondern vor allem auch Unternehmensberater, Steuerberater und auch Wirtschaftsprüfer. Wir selbst versuchen zumindest den rechtlichen Teil über die 4L Legal abzubilden (www.4L.legal).

Gab es denn schon Prozesse vor deutschen Gerichten, die sich um den Bereich Impact Investing drehten?

Dr. Johannes Knorz: Ausdrücklich auf das Impact Investing bezogen ist mir persönlich kein Verfahren bekannt. Das mag aber auch damit zusammenhängen, dass dieser Begriff im Markt noch nicht sehr etabliert ist und vor allem immer wieder mit bloß „nachhaltigen“ Angeboten vermengt wird. Er ist bisher auch weder umfassend reguliert noch geschützt. Zunehmend höre ich jedoch von Rechtsstreitigkeiten, die das schon oben genannte „Greenwashing“ zum Gegenstand haben. Diese betreffen hauptsächlich Anbieter, die mit besonders nachhaltigen Geldanlagen auf irreführende Weise werben, diese dann aber tatsächlich nicht oder jedenfalls nicht in der beworbenen Tiefe anbieten können oder wollen.

Für Impact Investing sind Fragen von Ethik und Moral entscheidend. Wo sehen Sie ethische Grauzonen? Was wäre etwa, wenn eine Söldnertruppe ausgerüstet wird, um in einer anarchistischen Region für Sicherheit zu sorgen, was wiederum das wirtschaftliche, soziale und ökologische Erblühen der Region fördert? Wäre das unter Umständen ein Impact-Projekt?

Dr. Johannes Knorz: Das ist eine sehr interessante und auch originelle Frage. Ich würde sie gerne etwas allgemeiner beantworten, auch jenseits der meiner Ansicht nach schwer zu fassenden Kriterien von „Ethik“ und „Moral“. Letztlich geht es beim Impact Investing als „wirkungsorientiertem“ Investieren darum, mit einer Vermögensanlage neben einer ordentlichen Rendite auch etwas „Gutes“ zu bewirken, die Welt also, wie schon erwähnt, ein bisschen besser zu machen. Entscheidend dabei ist, wie der einzelne Investor dieses „Gute“ jeweils für sich definiert. Sehr viele orientieren sich dabei an den sogenannte 17 Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen. Hierbei handelt es sich im Kern um international anerkannte Handlungsfelder zur ökologischen und sozialen Transformation unserer Welt. Aber auch andere Bezugsgrößen sind denkbar und legitim. Entscheidend dabei ist jedoch, dass die Unternehmung oder das Projekt, in die investiert wird, nach unserem Verständnis unmittelbar auf eine positive Wirkung ausgerichtet sein muss. Dies könnte in dem von Ihnen genannten Beispiel mit den Söldnern zumindest fraglich sein. Unabhängig davon, dass dieses Vorhaben zumindest nach meinem ersten Eindruck schwerlich ein auf eine marktübliche Rendite ausgerichtetes Investment ist, halte ich es auch für zweifelhaft, ein an sich hehres Ziel mit zumindest zweifelhaften Mitteln erreichen zu wollen. Klar, das Söldner-Beispiel ist ein wenig konstruiert, aber auf den ersten Blick hin würde ich es nicht unter die Kategorie des Impact Investing einordnen.

Greenwashing von Investitionen, die in Wahrheit nicht nachhaltig sind, ist ein Problem, das in dem Maße zunimmt, in dem Impact Investing erfolgreicher wird. Welche Anstrengungen werden unternommen, um solche Versuche zu unterbinden? 

Dr. Johannes Knorz: Diese Anstrengungen müssen von allen unternommen werden, die ein Interesse an einer ernsthaften ökologischen und sozialen Transformation unserer Gesellschaft und damit auch einer wirkungsorientierten Finanzwirtschaft haben. Allen voran Wissenschaft und Medien, um die Begrifflichkeiten schärfer zu fassen und von anderen Anlageformen abzugrenzen. Aber auch die Finanzakteure selbst, die das Kapital tatsächlich verwalten und investieren, müssen ihrer Verantwortung gerecht werden, die Geldströme in die richtige Richtung zu leiten. Außerdem sind auch der Gesetzgeber, die Behörden, die Verbraucherverbände und auch die Justiz gefordert, für die Einhaltung fairen Wettbewerbs zu sorgen, Stichwort „Greenwashing“. Und schließlich und vor allem liegt die Verantwortung für wirkungsorientiertes Investieren auch bei jedem einzelnen Bürger. Denn jeder von uns hat es selbst in der Hand zu entscheiden, ob und wie er Verantwortung für die ökologischen und sozialen Auswirkungen seiner Investitionsentscheidungen übernehmen möchte. Darin liegt die große Chance des Impact Investing.