Sébastien Martin ist geschäftsführender Gesellschafter der Impact Associates GmbH – eine spezialisierte Beratungsboutique, zu deren Mitgründern die 4L Vision GmbH und ein Family Office zählen. Vermögende Privatpersonen und Family Offices begleitet die Boutique bei der Entwicklung und Umsetzung von individuellen Impact Investing-Strategien, insbesondere Investitionen in Direktbeteiligungen an Impact-Start-ups und Unternehmen sowie Venture Capital-Fonds. Im Interview mit Prof. Dr. Patrick Peters, Chefredakteur des Impact Investing-Magazin, spricht Sébastien Martin unter anderem darüber, wie vermögende Privatanleger den Zugang zum Impact Investing finden.
Herr Martin, welchen Stellenwert hat Impact Investing bei vermögenden Privatpersonen?
Sébastien Martin: Die Wichtigkeit und Dringlichkeit der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen sind mittlerweile im Bewusstsein der Diskussionen über gesellschaftlichen Fortschritt angekommen. Zur Erreichung der Sustainable Development Goals fehlen schätzungsweise jährlich 2,5 Billionen US-Dollar. Durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie dürften weitere einmalige Finanzierungslücken entstanden sein. Demgegenüber steht ein Gesamtvermögen von 418,3 Billionen US-Dollar Privatvermögen. Nicht zuletzt durch dieses Bewusstsein ist ein zunehmender Wunsch bei vermögenden Privatpersonen zu beobachten, mehr Verantwortung für die eigenen Investitionsentscheidungen zu übernehmen. Die künftigen Erben großer Vermögen als auch immer mehr heutige Vermögenseigner möchten mit dem Vermögen mehr Verantwortung für den gesellschaftlichen Fortschritt übernehmen. Impact Investing ist seit wenigen Jahren immer mehr bekannt, allerdings gibt es noch viele Unsicherheiten wie man diese Anlageklasse für sich erschließen kann. Einer Studie von Boston Consulting Group nach stellen aktuell Impact Investings erst rund 0,7 Prozent aller professionell verwalteten Gelder dar. Die Tendenz ist stark steigend. Mit Impact Investing suchen Investoren neben einem „Return on Invest“ auch einen „Return on Impact“ – ein „RoI zum Quadrat“ sozusagen. Bei diesem Return spielen persönliche Werte häufig eine große Rolle. Diese Anlagen werden dadurch viel emotionaler getragen, statt rein rational bei klassischen Investitionen nur auf die Nettoverzinsung zu schauen.
Wie stehen die typischen Berater vermögender Privatpersonen zu dieser Investmentphilosophie?
Sébastien Martin: Impact Investing spielt sich überwiegend (noch) außerhalb der klassischen Börsenmärkte ab. Der GIIN Annual Impact Investor Survey 2020 stellt beispielsweise fest, dass 70 Prozent der Befragten in Private Equity investiert, mit einem Anteil an den gesamten Assets under Management von 17 Prozent. Das wird von klassischen Bankberatern und Vermögensverwaltern kaum abzudecken sein. Hinzu kommt, dass neben der finanziellen Prüfung der Anlage eine dezidierte Prüfung der Impact-Qualität erforderlich ist. Alleine für die Impact-Prüfung haben klassische Vermögensberater in der Regel keine geeignete Ausbildung. Für die Suche von geeignete Direktbeteiligungen an Impact-Unternehmen (in der Startup-, Wachstums- und Reifephase) haben die Berater in der Regel weder die zeitlichen Ressourcen noch das richtige Netzwerk. Ausnahmen mögen die Regel bestätigen. Bei klassischen Anlagen hingegen, die einen Impact versprechen, liegt die große Herausforderung in der Prüfung der tatsächlichen Impact-Qualität. Da muss man die einzelnen Titel schon sehr genau analysieren und bewerten. Das ist im ESG-Bereich schon schwierig und wird sich hoffentlich durch die neue SFDR-Regulierung im Fondsbereich entschärfen.
Wie nähern sich Privatanleger dem Impact Investing? Ist jedes Impact Investment für jeden Anleger geeignet?
Sébastien Martin: Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass Impact-Anlagen in Ergänzung zu den aktuellen ESG-Anlagen für das breite Publikum der Retail-Investoren zunehmen werden. Dabei muss dann allerdings kritisch die Impact-Qualität hinterfragt werden. Schon heute versprechen einige „ESG-Aktienfonds“ mehr Nachhaltigkeit, als tatsächlich enthalten ist. Unter diesem Gesichtspunkt sind die Erreichung einer gewünschten Impact-Qualität bei Direktbeteiligungen in Impact-Unternehmen und Investitionen in Impact Venture Capital-Fonds leichter, wenngleich nicht einfacher. Direktbeteiligungen und Investitionen in Impact Venture Capital-Fonds stellen andere Anforderungen an Investoren als klassische Anlageprodukte. Aufgrund des höheren Risikos und der Kapitalanforderungen ist diese Anlageform wohl vermögenden Personen vorbehalten. Für diese Investitionen braucht es eine klare Investmentstrategie. Diese sollte im Einklang mit den Erwartungen sowohl an einen „Return on Invest“ als auch an den „Return on Impact“ stehen. Gerade der „Return on Impact“ sollte die persönlichen Werte und Präferenzen widerspiegeln. Leitfragen hier sind: Welche aktuellen Herausforderungen sehe ich als die Dringendsten? Welche Sektoren, Branchen und/oder Themenfelder stehen für mich im Fokus? Wo und wie will ich einen Beitrag leisten?
Welches persönliche Commitment sollten Anleger beim Impact Investing mitbringen?
Sébastien Martin: Ein erstes Commitment entsteht mit der Reflexion des eigenen Investoren-Selbstbilds. Wer der Gesellschaft mit seinen Investments etwas zurückgeben möchte, bzw. sein Vermögen einsetzen möchte, um die Welt ein Stück besserer zu hinterlassen, der gibt ein erstes Commitment ab. Ein wichtiges Stichwort ist die Intention. Das heißt, hinter der Anlageentscheidung steht die feste Absicht, einen positiven Beitrag zu einem dringenden Problem zu leisten. Neben der Intention spielt dann auch die Messung des Impacts eine wesentliche Rolle. Dabei fordert die investierende Person eine Überprüfung der Anlage hinsichtlich der Wirkungsentfaltung ein oder misst unter Umständen sogar selbst beziehungsweise lässt dies von unabhängigen Dritten prüfen. Diese laufende Evaluierung der Investitionen ist wesentlich für den „Return on Impact“-Erfolg.
Wie funktioniert Impact Investing über Beteiligungen in der Praxis für vermögendes Klientel?
Sébastien Martin: Der Aufbau eines Portfolios aus Direktbeteiligungen ist vor allem zeitintensiv und erfordert mehr Wissen und Erfahrungen vom Anleger. Daher ist dies nur denjenigen zu empfehlen, die sich professionell als Impact Business Angel betätigen möchten. Hier sind oft ehemalige Unternehmer und Manager zu beobachten, die ihre Erfahrungen und Netzwerke gerne direkt an junge Gründer weitergeben möchten. Für den Aufbau eines Portfolios aus Direktbeteiligungen ist schon aus Risikogründen eine gewisse Anzahl an Beteiligungen erforderlich. In der Startup-Phase sollte man von mindestens 15 Beteiligungen ausgehen, da die Ausfallwahrscheinlichkeit in der frühen Unternehmensphase am höchsten ist. Auch ist man aus Diversifizierungsgründen gut beraten, wenn man maximal zehn Prozent seiner verfügbaren Liquidität in Startup-Beteiligungen hält. Dieses Betätigungsfeld erfordert einen hohen Zeitaufwand für Scouting, Prüfung und Begleitung der Startups. Es kann dann allerdings äußerst erfüllend und bereichernd für Anleger:innen sein, weil sie die Wirkungsqualität direkt mitgestalten können und aus erster Hand lernen, was es bedeutet, eine gesellschaftliche Herausforderung zu lösen.
Wie erspürt man, ob man für Impact Investing geeignet beziehungsweise qualifiziert ist? Ist es eine reine Frage der finanziellen Ressourcen?
Sébastien Martin: Für Impact Investing ist grundsätzlich jeder geeignet. Es gibt viel Fachwissen, was sich jeder in spezialisierten Seminaren, im Austausch mit erfahreneren Impact Investoren und spezialisierten Beratern sowie auch im Selbststudium aneignen kann. Da Impact Investing allerdings noch in Anlageformen erfolgt, die wie gesagt eher einer sehr vermögenden Klientel vorbehalten ist, spielen die finanziellen Ressourcen eine wichtige Rolle. Es wäre wünschenswert, wenn alle Finanzanlagen dem Impact-Gedanken entsprechen würden. Aktuell befinden wir uns im Beginn einer gesellschaftlichen und ökologischen Transformation der Weltwirtschaft und hierfür braucht es mehr Impact Investoren, die entsprechende Handlungen und Anpassungen an den Geschäftsmodellen der etablierten Wirtschaft einfordert als auch das Entstehen von innovativen und zukunftsfähigen nachhaltigen Geschäftsmodellen fördert.