Dr. Michael Giese und Alexander Sieverts sind die Gründer und Geschäftsführer von itsmydata. Die Unternehmer sind von der Vision getrieben, dem Einzelnen die Macht über seine Daten zurückzugeben, und Europas führende Plattform zum Handel von persönlichen Daten zwischen Usern und Unternehmen aufzubauen. Dr. Michael Giese und Alexander Sieverts sind davon überzeugt, dass die digitale Transformation nur dann für alle gewinnbringend ist, wenn sich der Umgang mit Daten grundsätzlich ändert. Im Interview mit dem Impact Investing-Magazin erzählen sie Chefredakteur Prof. Dr. Patrick Peters, was Datenhoheit und digitale Souveränität für unsere Gesellschaft bedeuten und welche unmittelbare Wirkungsorientierung itsmydata erzielt.
Was bedeutet Datenhoheit für das positive gesellschaftliche Zusammenleben?
Alexander Sieverts: Datenhoheit bezeichnet die Verfügungsberechtigung des Einzelnen über persönliche oder selbst generierte Daten. Daten gelten nicht umsonst als die Währung des 21. Jahrhunderts und das neue Gold, mit steigender Tendenz: Im Jahr 2025 sollen weltweit rund 163 Zettabyte an Daten entstehen. Das ist eine Zahl mit 24 Stellen und das Zehnfache im Vergleich zum Jahr 2016. Im Zeitalter Internet-basierten Digitalökonomie und Informationsgesellschaft bedeutet Daten immer auch Markt- und Marketingmacht. Datenhoheit bedeutet für den Einzelnen und jede Organisation also, selbst zu entscheiden, wer wann und wo welche Daten finden, verwenden und weitergeben darf. Das soll den Datenmissbrauch durch Dritte einschränken und die persönliche Freiheit und Unabhängigkeit erhöhen. Daher erachten wir Datenhoheit als zentrales Gut des 21. Jahrhunderts für eine freiheitliche, selbstbestimmte Gesellschaft. Eine neue Studie „Digitale Souveränität“ des ZEW Mannheim im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zeigt auch: Die Stärkung der digitalen Souveränität und der Datenhoheit von Unternehmen sind zentral für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Werden alle Daten gleich behandelt oder gibt es Unterschiede in der Beurteilung von Datenhoheit?
Dr. Michael Giese: Wir differenzieren zwischen positiven und negativen Daten. Die negativen Daten werden nicht als persönlich schützbar begriffen, da die Gesellschaft das höhere Gut darstellt. So sollen zum Beispiel Betrüger ihre Machenschaften nicht als „privat“ verstecken können. Über die persönlichen, also die positiven Daten haben wir aber de facto noch keine Souveränität. Diese Daten werden heute von Unternehmen erstellt und häufig über die Köpfe der Einzelnen verwendet oder sogar vertrieben, manchmal anonym, manchmal nicht. Echte Datenhoheit des Einzelnen wäre, wenn nur die Konsument:innen selbst entscheiden könnten, was mit ihren Daten passiert und wofür sie eingesetzt werden. Für uns gehört auch dazu, dass Konsument:innen vor allem selbst am Wert ihrer Daten partizipieren. Damit würden Bürger:innen am besten nur noch mit den Unternehmen ihre Daten teilen, denen sie vertrauen, die ihre Werte teilen und die spannende Mehrwerte offerieren. Die Datenhoheit soll uns auch davor schützen, dass wir gläsern sind, von Unternehmen und/oder politischen Organisationen permanent beeinflusst werden und dass Systeme im schlimmsten Fall unsere Bedürfnisse vor uns selbst kennen, diese für Dritte analysieren und am Ende gegen uns einsetzen.
Was können Unternehmen tun, um die digitale Souveränität zu fördern?
Dr. Michael Giese: Unternehmen können von der Datensouveränität profitieren, als dass der Kundenwunsch durch viel mehr kontextbezogene persönliche Daten viel plastischer erscheint. Das kann effektive und individuell zugeschnittene Services und neue Chancen im Marketing und in der Bindung eröffnen. Um an diesem fruchtbaren Wettbewerb teilhaben zu können, können Unternehmen zunächst die Daten, die sie über die Kund:in entwickelt haben, transparent und zugänglich machen. Und mit diesem Angebot kann man in eine unmittelbare individuelle Beziehung mit der Kund:in treten, in der die Kund:in sich bewusst entscheiden kann, dem Unternehmen weitere Daten zur Verfügung zu stellen. Dieser freiwillige Akt bedeutet eine echte und gewollte Kooperation zwischen Dateninhaber und Datennutzer mit großen Opportunitäten für beide Seiten.
Alexander Sieverts: Zukünftig wird Vertrauen noch mehr als jetzt schon ein wesentlicher Baustein für die Kundenbeziehung sein. Und der sensible Umgang mit Daten ist ein zentraler Baustein im wirtschaftlichen Vertrauensmanagement. In Zeiten der Nachhaltigkeit ist es zudem wichtig, dass Unternehmen sich von den herkömmlichen Wegen, Daten zu gewinnen und zu verwenden, abwenden, mit den Nutzer:innen direkt in Kontakt treten und ihm anbieten, nur die von ihm gewünschten Daten zu einem festgelegten Zweck und innerhalb eines festgelegten Zeitraums zu verwenden.
Stichwort Impact Investing: Was qualifiziert itsmydata in der unmittelbaren Wirkungsorientierung?
Alexander Sieverts: Die Story von itsmydata erzählt die Demokratisierung der Daten. Daraus nicht nur eine politische, sondern eine wirtschaftliche Entwicklung zu machen, lohnt sich für uns als Gesellschaft. Es macht die Menschen nicht nur freier, sondern es erzeugt auch Effektivität. Wir geben den Menschen die Hoheit über ihre Daten und wollen Missbrauch vermeiden. Damit treten wir für ein wichtiges gesellschaftliches Ziel an. Wir wollen die Corporate Digital Responsibility (CDR), also die Unternehmensverantwortung im digitalen Raum, und digitale Nachhaltigkeit als den transparenten Umgang mit Daten fördern. Damit sehen wir uns im Einklang mit verschiedenen Teilzielen der 17 globalen Ziele für Nachhaltige Entwicklung, der sogenannten Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen.
Sie unterstützen Mieter:innen bei der Bescheinigung der Kreditwürdigkeit für Umzüge. Welche Mission verfolgen Sie damit?
Dr. Michael Giese: Auch dabei geht es um die Demokratisierung von Daten und Informationen, gerade bei einem so sensiblen Thema wie Kreditwürdigkeit im hart umkämpften Wohnungsmarkt. Der Bereich der Bonitätsbescheinigungen wird derzeit von Auskunfteien beherrscht, vor allem von der Schufa. Die Auskunfteien erhalten die Daten vom Kunden über die Banken oder Unternehmen, und die Unternehmen zahlen für diesen Service, dass die Auskunftei die Kundendaten von ihnen und all den anderen angeschlossenen Unternehmen sammelt. Allerdings verlangen die Auskunfteien interessanterweise vom Kunden selbst für dessen eigene Daten auch noch Geld, wenn er eine Auskunft über sich selbst wünscht. Bei der Schufa sind es knapp 30 Euro für das persönliche Zertifikat, in dem nur steht, ob negative Daten oder nur positive Daten vorliegen. Das halten wir für den völlig falschen Weg. Wir sagen als itsmydata zu unseren Kund:innen: „Es sind deine Daten, du kannst sie via Datenschutzgrundverordnung kostenlos abfragen.“ Wir machen daraus ein Zertifikat für eine Schutzgebühr von 11,90 Euro und stellen nicht nur negative und positive Daten dar, sondern vor allem auch die Kreditscorings, die gespeichert werden – wenn der Kunde dies will. Wir bieten Kund:innen die Möglichkeit, kostenlos seine Auskunfteidaten zu bekommen, und haben aufgrund dieser Daten in unserem Ökosystem einen günstigen Zertifikate-Service entwickelt. Damit unterstützen wir Kund:innen dabei, ihre Datenrechte zu nutzen und die Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten zurückzugewinnen.