27. UN-Klimakonferenz ohne entscheidenden Durchbruch?

Angesichts der Bedrohungen aus Russland und China ist die Klimapolitik in den vergangenen Monaten in den Hintergrund gerückt. Und die 27. UN-Klimakonferenz „COP27“ im ägyptischen Scharm El-Scheich im November 2022 stellt viele Beobachter nicht zufrieden. Aber es ist nicht alles schlecht.

Die UN-Klimakonferenz in Scharm El-Schaich 2022, kurz COP27, ist die 27. UN-Klimakonferenz. Sie fand vom 6. bis 18. November 2022 mit mehr als 20.000 Teilnehmer aus über 190 Staaten statt und unter dem Motto „Together for just, ambitious implementation NOW“ („Gemeinsam für eine gerechte, ambitionierte Umsetzung JETZT“). Primäres Thema soll die Nachbesserung der weltweit vereinbarten Klimaziele sein: Bei der COP26 in Glasgow hatten zwar einige Staaten höhere Ambitionen angekündigt, nach wie vor klafft aber eine erhebliche Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Die gemeinnützige Unternehmerinitiative Fairantwortung gAG aus Karlsruhe will Organisationen bei der Entwicklung eines nachhaltigen und klimaverträglichen Wirtschaftssystems unterstützen. Daher beobachtet Vorständin Alice Knorz die globalen Entwicklungen und Bemühungen sehr genau, also auch die Ergebnisse der diesjährigen UN-Klimakonferenz. „Ein Jahr nach dem Klimagipfel in Glasgow müssen wir realisieren, dass die damals getroffenen Vereinbarungen zu keinen großen Fortschritten in der internationalen Klimapolitik geführt haben. Ehrgeizige Ziele sollten die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen, was angesichts der steigenden globalen Erwärmung immer schwieriger wird. Fakt ist, dass die gegenwärtige globale Erwärmung eine Tatsache und Konsequenz menschlichen Handelns ist. Obwohl die internationale Klimapolitik sich seit drei Jahrzehnten um eine Minderung der Treibhausgase in der Atmosphäre bemüht, sammeln diese sich weiterhin an und verstärken den Klimawandel.“ 

Überfällige Schritte zur Minderung und zum Ausstieg aus fossilen Energien verhindert?

Angesichts der Bedrohungen aus Russland und China sei die Klimapolitik in den vergangenen Monaten in den Hintergrund gerückt. Nun habe sich die Staatengemeinschaft vorgenommen, die Erderwärmung auf höchstens 1,5 bis zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen: Treibhausgase müssten reduziert, Volkswirtschaften transformiert und die Energieerzeugung kohlenstofffrei werden, betont Alice Knorz. Sie hält die Ergebnisse grundsätzlich für ernüchternd. Zwar wurde der Aufbau eines Fonds für klimabedingte Schäden beschlossen, ein Abschied von Öl und Gas aber nicht erwähnt. Aufgrund der Blockade von einigen großen Emittenten und ölproduzierenden Staaten wurden überfällige Schritte zur Minderung und zum Ausstieg aus fossilen Energien verhindert.“

Daher ist sie enttäuscht vom Ausgang der UN-Klimakonferenz und fordert: „Für mich ist immer klarer geworden, dass wir in der Europäischen Union unseren eigenen Weg gehen müssen. Gerade Unternehmen haben hier einen sehr großen Hebel über ihre Scope 3-Dekarbonisierung, die dadurch bei der Auslagerung der THG-Emissionen in Drittländer dennoch berücksichtigt und auf dem Konto der Muttergesellschaften gezählt werden.“ Die neue Nachhaltigkeits-Berichtspflichten in Europa in Form der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) und der ESRS (European Sustainability Reporting Standards) seien schon einen Schritt in die richtige Richtung. Wichtig für Unternehmen sei es, intensiv in Innovationen rund um eine regenerative Wirtschaftsweise zu investieren. Leider hätten einige Staaten eine echte Beschleunigung der Maßnahmen gegen den Klimawandel erneut ausgebremst. Das sei dramatisch, betont Alice Knorz. „Wir müssen es in der EU selbst anpacken und, wie Peter Jelinek sagt, die Märkte der Zukunft schaffen.“

Viele Berichterstatter hatten im Vorfeld der Konferenz ein völliges Scheitern vorausgesagt

Nick Parsons, Leiter Research und ESG bei der ThomasLloyd Group, stellt aber heraus, dass nicht alles schlecht an der COP27 war. „Das vielleicht wichtigste Ergebnis der Konferenz – und das sollte in diesen unruhigen und kontroversen Zeiten nicht unterschätzt werden – war die Demonstration eines gemeinsamen Ziels und internationale Solidarität in der Frage des Klimawandels auf globaler Ebene. Viele Berichterstatter hatten im Vorfeld der Konferenz ein völliges Scheitern vorausgesagt, aber der Eifer und die Entschlossenheit des COP-Präsidenten Alok Sharma trugen dazu bei, die intensiven und komplexen Verhandlungen zwischen 120 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt voranzutreiben.“ 

Das Resultat der Weltklimakonferenz sei sicherlich nicht perfekt, der Mangel an Dringlichkeit besorgniserregend, und die Zusicherung, die CO2-Emissionen bis 2070 auf Null zu reduzieren, übersteige bei weitem den von Klimawissenschaftlern geforderten Zeitrahmen, stellt Nick Parsons heraus. Zum Vergleich: „Experten gehen davon aus, dass Emissionen in diesem Jahrzehnt um 45 Prozent gesenkt werden müssten, um das Ziel Mitte des Jahrhunderts zu erreichen. Hochtrabende Ambitionen ohne sofortige Pläne zur Umsetzung werden nicht dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen. Auch die geplante Abkehr von fossilen Brennstoffen war letztlich ein enttäuschender Kompromiss. Statt einer Verpflichtung zum Ausstieg aus der Nutzung von Kohle zur Energieerzeugung wurde die Formulierung in letzter Minute in “schrittweise Reduzierung” geändert – ein wesentlich weicheres und weit weniger konkretes Versprechen.“

Industriestaaten hatten umweltschädliche Produktionskapazitäten in Entwicklungsländer ausgelagert

Trotz dieser Unzulänglichkeiten habe es zwar auch greifbarere Erfolge gegeben wie die Lösung der operativen Details für die praktische Umsetzung des Pariser Abkommens. 30 Länder hätten ihre Entschlossenheit bekundete, bis 2040 weltweit und bis 2035 in den führenden Märkten nur noch emissionsfreie Pkws und Transporter zu fertigen. Nick Parsons fordert aber, beispielsweise das jährliche Ziel von 100 Milliarden US-Dollar für die Klimafinanzierung der Entwicklungsländer zwingend zu erreichen. „Es ist an der Zeit, die Netto-Null-Finanzierungsziele umzusetzen. Tatsache ist, dass die Industriestaaten in den letzten Jahren einen Freifahrtschein hatten. Sie haben umweltschädliche Produktionskapazitäten in die Entwicklungsländer ausgelagert und die fertigen Produkte importiert, während sie die Lorbeeren für die reduzierten CO2-Emissionen im eigenen Land einheimsen. Im besten Fall ist dies scheinheilig, im schlimmsten Fall ist es wirtschaftlich und moralisch falsch.“

Alles dafür tun, das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen

Seine Berechnungen zeigt: „Zusammen mit der starken Inlandsnachfrage in einigen der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt führt das Nettoergebnis dieses Offshorings dazu, dass Asien heute mehr als die Hälfte der 35 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen des Planeten produziert. Tatsächlich zeigen unsere Untersuchungen, daß die Kohlenstoffintensität des BIP der acht größten asiatischen Volkswirtschaften mehr als viermal so hoch ist wie die der größten europäischen Länder.“

Fairantwortung-Vorständin Alice Knorz stellt heraus: „Die Herausforderungen sind groß. Je mehr sich Unternehmen und Investoren mit der Umsetzung von Klimaneutralität befassen, desto höher wird der Handlungsdruck für unwillige Staaten, auch aus wirtschaftlicher Sicht beinahe zwangsläufig ambitioniertere Ziele umzusetzen.“ Die Fairantwortung gAG wolle gemeinsam mit Mitgliedern und anderen Organisationen daran arbeiten, wichtige Diskurse im Klimaschutz anzutreiben und Themen von echter Tragweite immer wieder in die Öffentlichkeit zu bringen. „Wir müssen alles dafür tun, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen!“

Über den Autor: Prof. Dr. Patrick Peters, MBA

Prof. Dr. Patrick Peters, MBA ist Professor für PR, Kommunikation und digitale Medien und Prorektor an der Allensbach Hochschule, Wirtschaftspublizist und Kommunikationsberater. Er befasst sich seit vielen Jahren mit der Finanzindustrie und berät vor allem Vermögensverwalter, Finanzdienstleister und Unternehmen, die sich dezidiert mit dem Thema der Nachhaltigkeit befassen. Er hält einen MBA mit Fokus auf Leadership und Ethik. Er ist Chefredakteur von impactinvestings.de.

Prof. Dr. Patrick Peters
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