Impact-Indikatoren für soziale Themen: Ein Vorschlag auch in Richtung einer sozialen Taxonomie

Der von der EU-Plattform für nachhaltige Finanzen im Februar 2022 veröffentlichte Final Report on Social Taxonomy („PSF Bericht“) zeigt, dass bei Investor:innen die Nachfrage nach Investitionen mit positiven Auswirkungen wächst, zum Beispiel mittels Sozialanleihen. Dafür benötigen Finanzinstitutionen jedoch verlässliche Informationen darüber, welche Geschäftstätigkeiten zu einem positiven Wandel beitragen. Auch die Europäische Kommission fordert in ihrem im März 2018 veröffentlichten Aktionsplan zur Finanzierung von nachhaltigem Wachstum, u.a. die Entwicklung von Klassifizierungssystemen für sozial nachhaltige Aktivitäten, um die Finanzierung des Privatsektors auf solche Aktivitäten hin zu lenken. Eine „soziale Taxonomie“ als ergänzendes Klassifizierungssystem zur „grünen Taxonomie“ der EU wäre also sehr wichtig.

Deswegen soll im folgenden Artikel das zweite Briefing Paper eines Forschungsprojekts des Deutschen Instituts für Menschenrechte und des Fair Finance Instituts vorgestellt werden, welches im Juli 2022 erschien („Briefing Paper“)1. Es enthält Konzepte und Indikatoren für die standardisierte Messung von sozial nachhaltigen Aktivitäten, welche im Einklang mit den völkerrechtlich verankerten Menschenrechten diskutiert und entwickelt werden sollen, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche EU-Sozialtaxonomie. Dabei konzentriert es sich auf die Verbesserung der inhärenten positiven Auswirkungen von grundlegenden Gütern und Dienstleistungen, zum Beispiel Lebensmitteln und Wohnraum. 

Sozialtaxonomie für Investitionsströme auch in sozial nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten

Die bisherige EU-Taxonomieverordnung konzentriert sich primär auf ökologische Aspekte der Nachhaltigkeit. Um Investitionsströme auch in sozial nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten umlenken zu können, ist eine Sozialtaxonomie notwendig. Dafür muss zuerst ein Blick auf die Grundlage zur Bestimmung der Kriterien für die Definition von sozialer Nachhaltigkeit geworfen werden. Der PSF-Bericht schlägt vor, für eine solche Definition Kriterien heranzuziehen, die sich auf international vereinbarte soziale Normen und Grundsätze, wie beispielsweise die allgemeine Erklärung der Menschenrechte sowie der Zivil- und Sozialpakt von 1966 und die Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen (UN Guiding Principles on Business and Human Rights) stützen. Weiterführend ist es notwendig zu definieren, was einen „substanziellen Beitrag“ ausmacht. Damit eine wirtschaftliche Tätigkeit als „substanzieller Beitrag“ angesehen werden kann, muss es möglich sein, die Höhe der Investitionen in die wirtschaftliche Tätigkeit im Zusammenhang mit den Zielen der Taxonomie zu quantifizieren. Außerdem muss sichergestellt werden, dass die unternehmerischen Anstrengungen zur Umsetzung sozialer Ziele über die „business-as-usual“-Aktivitäten hinausgehen und somit positive Auswirkungen haben, die ansonsten nicht eingetreten wären. Die Umsetzung unternehmerischer Sorgfaltspflicht allein, wie sie z.B. durch das deutsche Lieferkettengesetz gefordert ist, ist also noch kein „substantieller Beitrag”. Würde die Sozialtaxonomie keine zusätzlichen Anstrengungen dieser Art erfordern, wäre ihre potenzielle Wirkung deutlich geringer, und sie würde ihren Zweck verfehlen, Kapital in unterfinanzierte Aktivitäten mit signifikantem sozialem Nutzen zu lenken.

Wirkung auf Basis der fünf Dimensionen messen

Angesichts des Mangels an standardisierten Indikatoren für die Messung substanzieller Beiträge bestand das übergeordnete Ziel des zweiten Briefing Papers darin, einen Weg zu skizzieren, wie solche Indikatoren gefunden werden können. Dafür wurde auf zwei Ansätze zurückgegriffen: Der „AAAQ“-Rahmen (availability, accessibility, acceptance and quality) sowie die „5 Dimensionen“ des Impact Management Projects (IMP). 

Um Kriterien für substanzielle Beiträge zu entwickeln, welche den inhärenten sozialen Nutzen wirtschaftlicher Aktivitäten erhöhen, schlägt der PSF-Bericht vor, den AAAQ-Rahmen zu verwenden. Dieser hat seinen Ursprung in der Menschenrechtsarbeit und damit ein großes Potenzial zur Akzeptanz in der „Menschenrechtsszene“. Der AAAQ-Rahmen beinhaltet die Faktoren Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, Akzeptanz und Qualität. Um auch auf Akzeptanz bei den Investoren zu stoßen, wird im Briefing Paper ergänzend das Fünf-Dimensionen-Modell des IMP vorgestellt, welches bereits von zahlreichen Investierenden verwendet wird2. Es wurde unter Mitwirkung zahlreicher Organisationen mit dem Ziel entwickelt, einen internationalen Konsens darüber zu erreichen, wie die Auswirkungen von Investitionen auf Menschen und die natürliche Umwelt gemessen, bewertet und berichtet werden können. Die IMP-Gemeinschaft hat sich darauf geeinigt, dass die Wirkung auf Basis der fünf Dimensionen Was, Wer, Wie viel, Beitrag und Risiko gemessen werden sollte. Zudem bezieht sich der Ansatz auch auf die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen.

Messung der substanziellen Beiträge von Unternehmen auf Ebene der Geschäftsaktivitäten

Das Briefing Paper schlägt nun vor, den AAAQ-Rahmen mit dem Ansatz des IMP zu kombinieren, und damit Ansätze aus der Menschenrechtswelt und der Finanzwelt zu verbinden und somit auch eine starke Unterstützung zu erreichen. Zwar stimmen die beiden Systeme nicht in allen Einzelheiten überein, es gibt jedoch genügend Überschneidungen, die eine solche Integration ermöglichen. So kann beispielsweise „Verfügbarkeit“ aus dem AAAQ-Rahmen durch die Fragen der Dimensionen „Was“, „Wie viel“ und „Beitrag“ des IMP-Ansatzes differenziert bewertet werden. Entsprechend ließe sich „Zugänglichkeit“ des AAAQ-Rahmens durch die Fragen im Zusammenhang mit der Dimension „Wer“ des IMP-Ansatzes gut abdecken. 

Um diese beiden Ansätze in der Praxis anzuwenden, eignet sich das IRIS+ – Indikatorensystem3. Dieses ist in der Finanzwelt bereits weit verbreitet und misst die substanziellen Beiträge von Unternehmen auf der Ebene der Geschäftsaktivitäten. Der IRIS+ Ansatz baut auf der Logik des IMP auf, indem dieser die Indikatoren nach den 5 Wirkungsdimensionen des IMP gruppiert und diese um die Indikatorenkategorie „Wie findet die Veränderung statt“ ergänzt. Außerdem integriert der IRIS+-Ansatz viele Aspekte des AAAQ. In dem Briefing Paper wurde bei einer beispielhaften Anwendung der IRIS+-Core Metrics Sets (unter anderem für die Themenfelder Trinkwasserversorgung, qualitativ gutes Wohnen und Bildung) festgestellt, dass die Indikatoren prinzipiell in der Lage sind, die mit dem AAAQ-Rahmen und den fünf IMP-Dimensionen verbundenen Fragen zu beantworten (in Bezug auf den im PSF-Bericht definierten Typus „inhärente positiver Auswirkungen verstärken“). 

Brückenschlag zwischen wichtigen Bewertungsansätzen soll grüne Taxonomie ergänzen

Dies gilt jedoch nur, wenn die IRIS+ Indikatoren als Einheit betrachtet werden, da sie als Einzelindikatoren nicht in der Lage sind, die Komplexität zu erfassen. Zudem wurden weitere Optimierungsmöglichkeiten für den IRIS+-Ansatz im Briefing Paper aufgezeigt. Zum Beispiel wäre es wichtig, das IRIS+-Kernindikatorenset noch um den Aspekt der „Dauerhaftigkeit einer Wirkung“ zu ergänzen. Denn dieser zentrale Punkt, im AAAQ-Rahmen unter „Qualität“ verortet, ist bei IRIS+ noch nicht durchgängig integriert.  

Die Autor:innen des Briefing Papers hoffen, dass durch diesen Brückenschlag zwischen wichtigen Bewertungsansätzen aus verschiedenen Bereichen (Menschenrechte und Finanzen) die Chancen verbessert werden, die grüne Taxonomie um einen sozialen, standardisierten Indikatorensatz zu ergänzen. Mit solchen Standards sollte dann schließlich auch die Chancen für einen viel breiteren Einsatz des wichtigen Impact Investings steigen, auch und gerade für soziale Verbesserungen.

1: Der Artikel basiert auf folgender Studie:

Braun, B.; Duscha, M.; Hock, A.-L.; Kern, W.; Wündsch, M.; Würth, A.: Briefing Paper: Selected human rights indicators in the context of current EU regulation: Towards more social sustainability in the financial and economic system – Part II: Substantial Contribution, Berlin, Heidelberg, 2022, (Downloadlink: https://www.fair-finance-institute.de/wp-content/uploads/2022/07/FaFin_DIMR_Selected-human-rights-indicators-in-the-context-of-current-EU-regulation-Towards-more-social-sustainability-in-the-financial-and-economic-system_PartII.pdf). Dieses Forschungsprojekt wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales finanziell unterstützt.

2: Nutzer des IRIS+-Rahmens sind u.a. die Bill & Melinda Gates Foundation, Rockefeller Foundation, J.P. Morgan, Inter-American Development Bank und UBS.

3: IRIS+: https://iris.thegiin.org

Über die Autor:innen dieses Artikels:

Katharina Meyhöfer studiert Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Bielefeld und wirkt im Fair Finance Institute als Werkstudentin mit.

Markus Duscha ist Gründer und Leiter des Fair Finance Institutes (FaFin) in Heidelberg (http://www.fair-finance-institute.de/). FaFin forscht, berät und gestaltet rund um das Thema „Finanzen und Nachhaltigkeit“. Zudem ist Markus Duscha Mitglied des Sustainable Finance Beirats der Bundesregierung in der 20. Legislaturperiode.