Impact für Soziales und die Transformation stärken: Sustainable Finance-Beirat für Ausweitung der EU-Taxonomie 

Die EU-Kommission versucht mittels der EU-Taxonomie1 zu definieren, was zu „nachhaltigen wirtschaftlichen Aktivitäten“ zählt. Es soll auf diese Weise, so das damit verbundene Ziel, ein zentraler Baustein geschaffen werden, damit Investoren entscheiden können, welche Finanzierungen einen Beitrag zur Erreichung wichtiger EU-Umweltziele liefern. Die solchermaßen festgelegten wirtschaftlichen Aktivitäten sollen „wesentlich beitragen“ zur Erreichung eines oder mehrerer Umweltziele, ohne anderen Umweltziele signifikant zuwiderzulaufen und zugleich soziale Mindeststandards einhalten. Durch den Aspekt des „wesentlichen Beitrags“ ist die EU-Taxonomie bisher von den EU-Nachhaltigkeitsregulierungen im Finanzbereich am nächsten dran am Thema Impact Investing. Deshalb ist es wichtig, dieses Taxonomie-Instrumentarium praktikabel einsetzen zu können und auch über eine Weiterentwicklung nachzudenken.

Der Sustainable Finance-Beirat (SFB)2 der aktuellen Bundesregierung hat sich deshalb in einem im März erschienen Bericht3 detaillierter mit Herausforderungen und Optionen der Taxonomie beschäftigt und Empfehlungen dazu ausgesprochen. Dieser Bericht, der unter anderem auch der EU-Kommission übermittelt wurde, gibt die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe des Beirats wider. Hier flossen insbesondere die Perspektiven von Unternehmen, des Wirtschaftsprüfungssektors und der Finanzwirtschaft ein.

Mehr Klarheit in der praktischen Handhabung der bestehenden EU-Taxonomie schaffen

Der Beirat heißt in seinem Bericht die EU-Taxonomie willkommen, weist aber auf eine Reihe praktischer Probleme hin, mit denen Unternehmen und Banken gerade bei der Umsetzung zu kämpfen haben. Zum Beispiel hebt der Bericht Unklarheiten bezüglich der „Minimum Safeguards“ hervor. Dieser „Schutzwall“ wurde ursprünglich im Jahr 2020 im Rahmen der EU-Taxonomie vereinbart, um sicherzustellen, dass grüne Investitionen die breiteren Nachhaltigkeitsziele der EU in Hinblick auf soziale Aspekte nicht untergraben4. Der SFB-Bericht beschreibt, dass nicht hinreichend klar sei, ob sich die Schutzmaßnahmen nur auf eine zu finanzierende Wirtschaftstätigkeit oder generell auf das Unternehmen, das die Wirtschaftstätigkeit ausführt, beziehen soll. Zudem fordert der SFB die Kommission auf, die Folgen von zu erwartenden Änderungen externer Standards, die inhärenter Bestandteil der EU-Taxonomie sind, zu regeln. Dies sind zwei Beispiel dafür, wie zunächst mehr Klarheit in der praktischen Handhabung der bestehenden EU-Taxonomie geschaffen werden sollte. 

Viele Aktivitäten der Wirtschaft nicht nachhaltig im Sinne der EU-Taxonomie 

Der Beirat gab zudem eine Reihe von Empfehlungen ab, die Aspekten der Erstanwendung der Taxonomie in der Berichterstattung betreffen5, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. Hier soll vielmehr hervorgehoben werden, dass der Beirat kritisierte, dass ein größerer Teil von Aktivitäten der Wirtschaft bisher nicht als nachhaltige Aktivitäten im Sinne der EU-Taxonomie gelten, obwohl sie zu Erreichung von Nachhaltigkeitszielen beitragen. Hierzu zählen einerseits Aktivitäten mit substantiellen Beiträgen zur Verbesserung sozialer Aspekte, wie zum Beispiel die Finanzierung von Sozialwohnungen und Pflegediensten. Anderseits lassen sich auch Finanzierungen von Transformationsaktivitäten, die bisher selbst noch nicht als nachhaltig gelten, aber die Entwicklung der Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit unterstützen, nicht als nachhaltige Finanzierungen im Sinne der Taxonomie anerkennen. Hierzu würde zum Beispiel zählen, effizienzsteigernde Maßnahmen in fossilen Kraftwerken durchzuführen, auch wenn die Anlage dann noch nicht die Klimaschutzkriterien der Taxonomie erfüllt. 

Eckpunkte zur möglichen Ausgestaltung einer „Sozialen Taxonomie“

Solche Aktivitäten sind in Gefahr, von der Finanzwirtschaft gegebenenfalls mit geringerer Motivation unterstützt und zu ungünstigeren Konditionen finanziert zu werden. Wenn oben genannte Praktikabilitäts- und Erstanwendungsprobleme mit der aktuellen Taxonomie geklärt sind, rät der SFB deshalb zur Entwicklung einer sozialen Taxonomie und eines separaten Rahmens für „transformative Aktivitäten“.

Eckpunkte zur möglichen Ausgestaltung einer „Sozialen Taxonomie“ und einer „Transformationstaxonomie“ legte die erste „Plattform on Sustainable Finance“ der EU schon letztes Jahr vor6. Durch entsprechende Taxonomien könnten Finanzierer, also auch Impact-Investoren, leichter in Richtung Impact nachziehen, ohne zum Beispiel dabei in „Social Washing“-Verdacht zu geraten.

Zweite „Plattform on Sustainable Finance“ hat Arbeit vor kurzem aufgenommen 

Die Empfehlung des SFBs zu einer sozialen Taxonomie sind zudem eine Reaktion darauf, dass die Pläne zur Ausweitung der EU-Taxonomie auf soziale Themen im vergangenen Jahr von der EU-Kommission erstmal zurückgestellt worden waren. Die zweite „Plattform on Sustainable Finance“, die ihre Arbeit vor kurzem aufgenommen hat, wird sich wesentlich auf die Usability der aktuellen Taxonomie und der technischen Screening-Kriterien konzentrieren. Eine Weiterentwicklung in Hinblick auf sozialen Impact oder Transformationsfinanzierung steht bisher nicht im Vordergrund. Ein Vertreter der EU-Kommission begrüßte den Bericht des SFB in einer ersten Stellungnahme als wertvollen Input zur Weiterentwicklung der Taxonomie. Von daher ist zu hoffen, dass sich auch die Bundesregierung sowie Akteure der Wirtschaft für die Umsetzung der Empfehlungen des Sustainable Finance-Beirats zur EU-Taxonomie einsetzen.

1: „EU-Taxonomie“: Regulation (EU) 2020/852 of the European Parliament and of the Council of 18 June 2020 on the establishment of a framework to facilitate sustainable investment, and amending Regulation (EU) 2019/208
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32020R0852&from=EN

2: Der SFB setzt sich aus 34 Expert*innen der Finanzwirtschaft, Realwirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft zusammen und wird von 19 Beobachter*innen unterstützt. Er unterstützt insbesondere die Bundesregierung bei der Umsetzung und Weiterentwicklung der deutschen Sustainable Finance Strategie.

3: Sustainable Finance Beirat der Bundesregierung in der 20. Legislaturperiode (Hrsg.): Die EU-Taxonomie: Herausforderungen bei der Umsetzung und Lösungsvorschläge, März 2023. https://sustainable-finance-beirat.de/wp-content/uploads/2023/03/SFB_Die-EU-Taxonomie_Herausforderungen-bei-der-Umsetzung-und-Loesungsvorschlaege-1.pdf

4: Dort wird auf internationale Vereinbarungen verwiesen, wie sie in den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen, den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) für Grundprinzipien und Rechte am Arbeitsplatz sowie dem Internationalen Gesetzentwurf für Menschenrechte dargelegt sind. 

5: Das betrifft zum Beispiel noch nicht vorhandene Daten und Berichtsprozesse in berichtspflichtigen Unternehmen.

6: Platform on Sustainable Finance: Final Report by Subgroup4: Social Taxonomy, February 2022; https://commission.europa.eu/document/download/d07e1f1e-3a1f-4d55-add4-a130f26b33e3_en?filename=280222-sustainable-finance-platform-finance-report-social-taxonomy.pdf 
Platform on Sustainable Finance: The Extended Environmenatal Taxonomy: Final Report on Taxonomy extension options supporting a sustainable transition, March 2022.
https://finance.ec.europa.eu/system/files/2022-03/220329-sustainable-finance-platform-finance-report-environmental-transition-taxonomy_en.pdf 

Alle Internetlinks: letzter Aufruf am 3. April 2023 

Über den Autor dieses Artikels:

Markus Duscha ist Mitglied des Sustainable Finance Beirats der Bundesregierung in der 20. Legislaturperiode und hat an der Erarbeitung des hier beschriebenen SFB-Berichts mitgewirkt. Zudem er ist Gründer und Leiter des Fair Finance Institutes (FaFin) in Heidelberg. FaFin forscht, berät und gestaltet rund um das Thema „Finanzen und Nachhaltigkeit“.