Im zweiten Teil der GITA „MasterSeries“ berichtet Dr. Nate Hagens, dass wir künftig mit immer weniger verfügbarer Energie innovativ umgehen müssen. Ebenso stellt er heraus, dass die aktuelle Wirtschafts- und Wissenschaftsstruktur keine ganzheitliche Lösung für globale Probleme bietet.
Dr. Nate Hagens ist US-amerikanischer Umweltökonom und Nate Hagens ist Direktor des Institute for the Study of Energy & Our Future (ISEOF), einer Organisation, die sich darauf konzentriert, die Gesellschaft auf den bevorstehenden kulturellen Wandel vorzubereiten. In Zusammenarbeit mit führenden Ökolog:innen, Energieexpert:innen, Politiker:innn und Systemdenker:innn stellt ISEOF nach eigener Aussage Roadmaps und Auswege (sogenannte Off-Ramps) zusammen, wie sich menschliche Gesellschaften an Lebensstile mit niedrigerem Durchsatz anpassen können.
Im zweiten Teil der „MasterSeries“ von GITA (Global Impact Tech Alliance), die Lösungen dafür aufzeigen will, um den potenziellen Zusammenbruch des sozialen und ökologischen Systems noch zu verhindern, spricht Dr. Nate Hagens über die Wechselbeziehung zwischen Energie, Technologie und unseren gesellschaftlichen Strukturen und betont die nicht vorhandene Nachhaltigkeit unseres derzeitigen Lebensstils. Eine Kernaussage: Wir verbrauchen jedes Jahr mehr Energie, die unsere Erwartungen, Geschichten und unser tägliches Leben bestimmt. In naher Zukunft werden wir jedoch mit immer weniger verfügbarer Energie innovativ umgehen müssen.
Zusammenhängende Lösung für ein umfassendes Verständnis
Der US-Wissenschaftler kritisiert, dass trotz einer Vielzahl von Expert:innen, die verschiedene Themen diskutieren, und berühmten Menschen, die Geschichten über ihr Fachwissen erzählen, eine integrative Herangehensweise an die Probleme der Welt immer noch fehle. Wir sehen selbstbewusste, charismatische Menschen, die über die Zukunft nachdenken. Allerdings kommen diese selten im selben Raum zusammen, um auf einer höheren Ebene miteinander zu sprechen. Er plädiert daher für eine zusammenhängende Lösung, um ein umfassendes Verständnis für die gegenwärtige Lage unseres Planeten zu entwickeln: „Wir kombinieren Energie und Materialien, um Produkte herzustellen, die zu Abfall und Verschmutzung führen.“
Nate Hagens eröffnet dabei eine interessante Gleichung. Ein Barrel Öl entspricht seiner Berechnung nach einem Arbeitspotenzial von 1.700 kWh, was ungefähr 4,5 Jahren menschlicher körperlicher Arbeit entspricht. Durch den Einsatz von Erdöl werde die menschliche Arbeit effektiv subventioniert. Die auf dem Energieverbrauch beruhende Arbeitsleistung entspreche zusätzlichen rund 500 Milliarden menschlichen Arbeitskräften zu fünf Milliarden, die bereits zur Verfügung stünden. Das sei die Geschichte der Industrialisierung.
Erfolgreiche Vollautomatisierung funktioniert nur bei günstiger Energie
Er nennt als Bezugsgröße die Milchproduktion. Der Einsatz vollautomatischer Melkmaschinen beispielsweise erfordert laut Nate Hagens 400-mal mehr Energie als das Melken von Hand, sorgt aber für höhere Löhne durch höhere Gewinne pro Stunde. Dieses Konzept funktioniere jedoch nur, solange Energie (also fossile Arbeit) günstig sei. Energiepreiserhöhungen führten daher zu drastischen Gewinneinbußen bei energieintensiven Prozessen und Industrien. Das sei aufgrund der derzeitigen Entwicklungen beispielsweise in Deutschland zu beobachten. Wenn Energiekosten in die Höhe schießen, entstehe Verluste für viele Industrien, die stark vom Einsatz automatisierter, energie- und stromintensiver Maschinen und Prozessen abhängig sind, betont der Umweltökonom.
Er kritisiert auch den Zusammenhang von Wirtschaftswachstum und Energieblindheit. „Indem wir Energie als eine weitere Ware betrachten, geben wir uns der Energieblindheit hin und verwechseln den Eurowert der Energie mit dem Arbeitswert, den sie uns liefert, ohne die Kosten der Umweltverschmutzung zu berücksichtigen.“ Daher stellt er die Bedeutung der Transformation zu einer regenerativen Wirtschaft in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen und fragt: „Was kann angesichts des Ausmaßes der Herausforderung, vor der wir stehen, getan werden, um zu einer regenerativen Wirtschaft überzugehen? Eine, die sich nicht auf die nicht nachhaltige Gewinnung von Ressourcen stützt und die Gesundheit des Planeten und seiner Bewohner in den Vordergrund stellt?“
Genuine Progress Indicator als neuer Wirtschaftsindikator
Nate Hagens fordert daher einen integrativen Ansatz, der die komplexen Wechselbeziehungen zwischen allen Aspekten der Welt berücksichtigt will das Bruttoinlandsprodukt nicht mehr als alleinigen Maßstab für wirtschaftlichen Erfolg betrachten, weil es die Kosten, die mit der Umweltverschmutzung und der Erschöpfung der Ressourcen verbunden sind, nicht berücksichtigt. „Stattdessen müssen wir uns auf die Entwicklung neuer Messgrößen konzentrieren, die den wahren Wert unserer Wirtschaftstätigkeit erfassen, zum Beispiel den Genuine Progress Indicator.“ Der Genuine Progress Indicator (GPI) (Indikator echten) ist ein Wirtschaftsindikator, der das BIP ersetzen und an dessen Stelle eine bessere Einschätzung der Leistung von Volkswirtschaften erlauben soll. Ebenso könne sich die Wirtschaft nicht weiter auf fossile Brennstoffe stützen, und aufgrund der drohenden Energieknappheit im Zuge der Transformation zu einer nicht-fossilen Energieversorgung könne es kein Weiter so! bei Konsum und Wirtschaftswachstum geben.
Sein Fazit: „Nachdem die Grundbedürfnisse befriedigt sind, sind die besten Dinge im Leben kostenlos. Selbstwert wird das neue Nettovermögen sein. Das BIP korreliert nicht mit unserem Wohlergehen. Denken Sie für sich selbst und folgen Sie Ihrem eigenen inneren Kompass, anstatt sich beeinflussen zu lassen.“
Das Video zur Präsentation von Dr. Nate Hagens ist unter https://www.youtube.com/watch?v=iTxEPqjfdyk kostenfrei verfügbar. Informationen zur GITA „MasterSeries“ und kostenlosen Teilnahme gibt es bei Sebastian Fittko (s@gita.global) und Thomas Schindler (t@gita.global).