Impact Investing-Magazin kontrovers #3: Warum der Pragmatismus siegen muss

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will bei der Stromerzeugung vorübergehend auf Kohle setzen – um die Versorgungssicherheit herzustellen. Das ist gerade in Zeiten des immer dringender werdenden Kampfes gegen den Klimawandel ein Zeichen von politischer Verantwortung und staatstragendem Realismus. Wer für den Frieden frieren will, soll dies freiwillig tun. Denn Ethik ist immer eine Frage der Abwägung, die oftmals nicht ohne Schmerzen zu beantworten ist.

Robert Habeck wurde von den Grünen in der Ampelkoalition nicht nur als Bundesminister für Wirtschaft installiert, sondern auch für Klimaschutz. Der 52-Jährige ist aber alles andere als ein verkrampfter Klimaschützer, auch wenn verschiedene politische und aktivistische Gruppierungen und einige Medien das gerne so hätten. Robert Habeck definiert seine Rolle als Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz im Kabinett Scholz in erster Linie über die staatsmännische Verantwortung für das Wohlergehen der Wirtschaft und damit auch der Gesellschaft. Und in Zeiten des Krieges zwischen Russland und der Ukraine und zunehmender Versorgungsunsicherheit bei russischem Gas in Verbindung mit rasant steigenden Energiekosten und der Gefahr einer brutalen wirtschaftlichen Rezession heißt das: Der Klimaschutz muss nach hinten rücken.

Diese Verantwortung für die Versorgungsstabilität und Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland führt somit dazu, Kohlekraftwerke reaktivieren zu wollen. „Um den Gasverbrauch zu senken, soll weniger Gas zur Stromproduktion genutzt werden. Stattdessen werden Kohlekraftwerke stärker zum Einsatz kommen müssen“, heißt es in einem Strategiepapier Habecks, aus dem das ZDF zitiert. Robert Habeck selbst sagt: „Das ist bitter, aber es ist in dieser Lage schier notwendig, um den Gasverbrauch zu senken.“

Es ist richtig, bei der Stromerzeugung vorübergehend auf Kohle zu setzen

Diesen Pragmatismus hat er bereits gezeigt, als er mit dem Golfstaat Katar schon im März die Lieferung von Flüssiggas verabredet hat. Katar ist einer der weltweit größten Exporteure von Flüssigerdgas (LNG). Die Grünen hatten den Import von Flüssiggas bisher immer abgelehnt, da die Gewinnung mit erheblicher Umweltzerstörung einhergeht. Jetzt will Robert Habeck in Rekordzeit Flüssigerdgasterminals an der deutschen Küste errichten und hat dafür im Mai das „LNG-Beschleunigungsgesetz“ durchgebracht. Das bedeutet stark verkürzte Fristen für die Bürgerbeteiligung, und die Umweltverträglichkeitsprüfungen sollen in deutlich vereinfachten Verfahren vorgenommen werden.

Der jetzige Vorrat an Erdgas – die Speicher sind bundesweit zu knapp 57 Prozent gefüllt – reicht nicht aus, um über den nächsten Winter zu kommen. Damit läuft das Land Gefahr, Wladimir Putin ein Druckmittel in die Hand zu geben – nämlich das Spiel mit der Versorgungssicherheit in Deutschland für Wirtschaft und Menschen! Daher ist der Weg, jetzt bei der Stromerzeugung vorübergehend auf Kohle zu setzen, richtig. 

Die „Süddeutsche Zeitung“, sonst auch der Energiewende sehr zugetan, schreibt beispielsweise: „Deutschland ist nach wie vor abhängig von russischem Gas. Diese prekäre Lage lässt sich kurzfristig nur lindern, indem man Vorräte anlegt und Gas einspart. Das heißt auch, jetzt möglichst kein Gas mehr zu verfeuern, um Strom zu erzeugen, wenn es Alternativen gibt. In diesem Fall die Kohle. Natürlich darf dies nicht zu einer Renaissance der Steinkohle in Deutschland führen, Kohlekraftwerke sind und bleiben klimaschädlich. Dieses Ausweichmanöver muss so schnell wie möglich beendet werden, und es sollte die Energiewende hin zu erneuerbaren Quellen eher beschleunigt werden. Doch dieser gewaltige Umbau braucht mehr Zeit, als Bürger und Unternehmen haben.“

Gesetzliches Frieren ist keine Option

Dem ist beizupflichten. Es kann nicht darum gehen, den Kohleausstieg rückgängig zu machen, um es sich einfach zu machen. Die Energiewende zur Dekarbonisierung muss ein wesentliches Ziel bleiben. Aber genauso ist der Aufruf „Frieren für den Frieden“, mit Verlaub, Unsinn. Wer den russischen Präsidenten in die Knie zwingen möchte, indem er mit drei Pullovern im Winter zuhause unter seiner Wolldecke sitzt, anstatt die Heizung anzuschalten und Gas zu verbrauchen, kann das gerne tun. Das nennt man freiwilliges bürgerschaftliches Engagement. Aber die Politik darf das Frieren fürs gute Gewissen nicht verordnen. Dass Gerhard Landsberg, CDU-Mitglied und Hauptgeschäftsführer und Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB), meint, dass auch eine Wohnung mit 18 oder 19 Grad noch gut bewohnt werden könne und dass alle dieses vergleichsweise kleine Opfer mittragen sollten, ist anmaßend und zeigt, wie leicht sich die öffentliche Hand Freiheitsbeschränkungen mittlerweile machen will – auch aus den Reihen der traditionell freiheitlich orientierten CDU. Gesetzliches Frieren ist keine Option und wäre unverantwortliches politisches Handeln. Das hat selbst die linksliberale Regierung erkannt. Auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) sprach sich bereits gegen niedrigere Mindesttemperaturen für Wohnungen aus. „Gesetzlich verordnetes Frieren halte ich für unsinnig“, sagte Geywitz der dpa in Berlin.

Ethik ist immer eine Frage des Abwägens

Impact-orientierten Investor:innen kann eine Rückkehr zur Kohle nicht gefallen, natürlich nicht. Aber Impact hat auch mit Verantwortung zu tun. Und Verantwortung zu übernehmen kann auch bedeuten, Dinge zu tun, die dem eigenen Weltbild widerstreben, aber zum jeweiligen Zeitpunkt richtig und zielführend sind. Impact Investing heißt daher nicht, prinzipiell „dagegen“ zu sein, sondern Prozesse verständnisvoll und zunächst wohlwollend zu begleiten und gleichzeitig zu versuchen, wertschätzend und positiv Veränderungen einzuführen und zu begleiten. Impact-orientierte Investor:innen werden von einem ethischen Verständnis angetrieben, und ethisch zu sein bedeutet, Entscheidungen treffen zu müssen. Ethik ist immer eine Frage des Abwägens und die Entscheidung dafür, den Mitmenschen so wenig Übles wie möglich anzutun. Dafür muss man auch Opfer in Kauf nehmen. In diesem Falle eben eine Verlängerung der Laufzeit der Kohlekraftwerke. Das ist immer noch besser als Versorgungsengpässe, Einschnitte in die wirtschaftliche Substanz und in der Lebensqualität.

Über den Autor: Prof. Dr. Patrick Peters, MBA

Prof. Dr. Patrick Peters, MBA ist Professor für PR, Kommunikation und digitale Medien und Prorektor an der Allensbach Hochschule, Wirtschaftspublizist und Kommunikationsberater. Er befasst sich seit vielen Jahren mit der Finanzindustrie und berät vor allem Vermögensverwalter, Finanzdienstleister und Unternehmen, die sich dezidiert mit dem Thema der Nachhaltigkeit befassen. Er hält einen MBA mit Fokus auf Leadership und Ethik. Er ist Chefredakteur von impactinvestings.de.

Prof. Dr. Patrick Peters
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