Begriffe kommen und gehen – die Impact-Philosophie bleibt

Regenerative Finance zielt als neues Konzept darauf ab, Geld als Instrument zur Lösung systemischer Probleme und zur Regeneration von Gemeinschaften und natürlichen Umgebungen einzusetzen. Das tut das Impact Investing schon lange.

ESG, SDG, Sustainability, Sustainable Finance, Mission Investing, Impact Investing: Wer über Kapitalanlage und Finanzierung unter dem großen Dach der Nachhaltigkeit spricht, wird mit einer Vielzahl von Begriffen und Abkürzungen konfrontiert, die alle ähnlich erscheinen, aber sich doch voneinander unterscheiden. Der eine Begriff definiert den Ansatz eher breit und schwammig (ESG), der andere könnte konkreter nicht gefasst sein (Impact Investing). 

Jetzt hat ein neuer Spieler die Bühne betreten. Regenerative Finance zielt laut Jasper van Brakel, CEO von RSF Social Finance, darauf ab, Geld als Instrument zur Lösung systemischer Probleme und zur Regeneration von Gemeinschaften und natürlichen Umgebungen einzusetzen. Ziel von Regenerative Finance ist es van Brakel zufolge, gemeinsame Werte zu schaffen. Gewinne seien nicht das Ziel, sondern eher ein Mittel zum weiteren Fortschritt. In der regenerativen Finanzwirtschaft ersetze die Zirkulation die Akkumulation. Jasper van Brakel bezieht sich dabei auf das System der Regenerative Capitalism nach John Fullerton. Dieser meint: „Die universellen Muster und Prinzipien, die der Kosmos zum Aufbau stabiler, gesunder und nachhaltiger Systeme in der gesamten realen Welt verwendet, können und müssen als Modell für die Gestaltung von Wirtschaftssystemen verwendet werden.“

Regenerative Finanzwirtschaft will Lösungen für jedes systemische Problem beschleunigen

Jasper van Brakel schreibt in seinem Artikel „Regenerative Finance Is No Longer the Future — It Has Arrived“über sein Modell: „Herkömmliche Finanzansätze sind zu kurzsichtig, um die systemischen Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, vollständig anzugehen. Die zunehmende Berücksichtigung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG-Faktoren) bei Investitionen ist ein positiver Trend, doch geht es dabei meist um die Verringerung negativer Auswirkungen. Selbst Anlagestrategien, die auf eine positive Nettoauswirkung abzielen, konzentrieren sich in der Regel auf eine begrenzte Anzahl von Zielen und vernachlässigen oft die Frage, wie die Ergebnisse zustande kommen und wer davon profitiert. Die meisten Bank- und Kreditvergabepraktiken lassen soziale und ökologische Auswirkungen immer noch außer Acht.“

Er beschreibt schließlich sein Modell in der Praxis: „Regenerative Finanzwirtschaft kann Lösungen für jedes systemische Problem beschleunigen, aber einige der wirkungsvollsten Beispiele aus der Praxis konzentrieren sich auf regenerative Landwirtschaft, Rassengerechtigkeit und die Umstrukturierung von Unternehmen, um sie rechenschaftspflichtiger zu machen und ihren Nutzen gerechter zu verteilen. Während nur wenige Geldgeber die Vision des regenerativen Finanzwesens in vollem Umfang verwirklichen, wendet eine wachsende Gemeinschaft von Finanzaktivisten die Kernpraktiken in Initiativen an, die zeigen, wie wir Kapital als flexibles, zweckorientiertes Instrument nutzen können, um gesunde und gerechte Sozial- und Umweltsysteme zu schaffen.“

Impact Investing weiß das schon lange

Das ist ein nachvollziehbarer Ansatz, der dazu dienen kann, drängende ökologische und soziale Probleme durch gezielte Investments anzupacken. Auf der anderen Seite erscheint Regenerative Finance wie Impact Investing, nur eben unter anderem Namen. Die Förderung regenerativer Landwirtschaft, die Herstellung von sozialer Gerechtigkeit, eine bessere Governance: Das sind Ziele, die in den Sustainable Development Goals der United Nations seit langem definiert sind und die das Impact Investing ebenso fokussiert. Auch dass die Profitmaximierung nicht das einzige Ziel ist, ist nicht dank Regenerative Finance neu, sondern Kern der Impact Investing-DNA.

Die positive ökologische und/oder soziale Wirkung eines Investments muss dabei direkt, gezielt, nachweisbar und messbar erfolgen. Die bisherige künstliche Trennung eines Investments von seinen (Aus-)Wirkungen wird damit aufgehoben. Stattdessen werden die Werte des Investors mit den Wirkungen seines Investments in unmittelbaren Einklang gebracht. Das macht das Impact Investing aus, sodass mit dieser Investmentstrategie über alle Anlageklassen hinweg der Weg zur Lösung systemischer Probleme vorgezeichnet ist.

Ökologisches und soziales Verhalten grundlegend verändern

Dr. Johannes Knorz schreibt in seinem Aufsatz „Impact Investing im Single Family Office“ ganz deutlich: „Die Corona-Pandemie und vielleicht noch mehr die Klimakrise führen uns das sehr drastisch und konkret vor Augen. Beide wirken als eine Art Katalysator und machen uns so deutlicher denn je: Nur wenn wir unser ökologisches und soziales Verhalten grundlegend hin zu einem wirklich nachhaltigen Zusammenspiel des Menschen mit seinem Lebensraum verändern, ist eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten überhaupt noch möglich. Alternativen hierzu gibt es nicht mehr. Für uns als Vermögensinhaber und -verwalter – und damit als Investoren – führt diese Erkenntnis zu einer radikalen Umkehr. Statt unsere Investments wie in früheren Zeiten alleine an Rendite und Risiko auszurichten, kommt nunmehr ein weiteres zentrales Kriterium hinzu, eine Art „dritte“ und damit ganz neue Dimension. Und das ist die Frage nach der Wirkung, also wie wir mit unseren Investments einen konkreten Beitrag dazu leisten können, den beschriebenen Herausforderungen zu begegnen. Die Antwort hierauf gibt die Anlagestrategie des Impact Investing.“

Freilich, Regenerative Finance ist ein spannendes Konzept, und die Finanzbranche lebt auch von begrifflichen Weiterentwicklungen. Aber Regenerative Finance ist nichts Neues. Das Konzept des Impact Investing, richtig verstanden und eng fokussiert, sagt alles aus, was wirkungsorientierte Investor:innen benötigen.

Über den Autor: Prof. Dr. Patrick Peters, MBA

Prof. Dr. Patrick Peters, MBA ist Professor für PR, Kommunikation und digitale Medien und Prorektor an der Allensbach Hochschule, Wirtschaftspublizist und Kommunikationsberater. Er befasst sich seit vielen Jahren mit der Finanzindustrie und berät vor allem Vermögensverwalter, Finanzdienstleister und Unternehmen, die sich dezidiert mit dem Thema der Nachhaltigkeit befassen. Er hält einen MBA mit Fokus auf Leadership und Ethik. Er ist Chefredakteur von impactinvestings.de.

Prof. Dr. Patrick Peters
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