Nachhaltigkeitsforscherin Gaya Herrington: „Der Wandel muss schnell passieren“

Die GITA „MasterSeries“ will Lösungen aufzeigen, aus dem „Business-as-Usual“-Kreislauf auszubrechen, um den potenziellen Zusammenbruch des sozialen und ökologischen Systems noch zu verhindern. Die niederländische Wissenschaftlerin Gaya Herrington spricht im ersten Teil der Serie über die Möglichkeiten, aus ökonomischer Sicht eine wünschenswerte Zukunft zu gestalten.

GITA (Global Impact Tech Alliance) will Investoren, Unternehmer und Vordenker auf ihrem Weg unterstützen, die Welten der technischen Innovation und der positiven Auswirkungen zu verbinden und Impact zu einem integralen Bestandteil der Technologie zu machen. Der Hintergrund: Weniger Schaden anzurichten, ist das Gebot unseres wirtschaftlichen Handelns, um den potenziellen Zusammenbruch des sozialen und ökologischen Systems schnell noch zu verhindern. Aber viele unserer Lösungen basieren laut GITA auf genau den Mechanismen, die die Situation überhaupt erst geschaffen haben („Business-as-Usual“-Szenario). Weniger Schaden anzurichten, reiche also nicht aus, denn dies werde allzu oft durch exponentielles Wachstum und mehr Extraktion überkompensiert. Aus dieser doppelten Zwickmühle auszubrechen, scheine aber aufgrund der derzeitigen Lösungen und der die Externalität verleugnenden Geschäftsmodelle unmöglich zu sein. Im Rahmen der „MasterSeries“ von GITA suchen international anerkannte Fachleute einen Ausweg aus dieser Zwickmühle, um Impact Investoren aufzuzeigen, wie die bessere Welt konkret aussehen kann, in die wir investieren wollen. 

Bekanntes World3-Modell immer noch gültig

Im ersten Teil der GITA „MasterSeries“ berichtet die niederländische Ökonometrikerin und Nachhaltigkeitsforscherin Gaya Herrington über „What Studying a 50-Year-Old World Model Taught Me about a Path Forward for Us Today“. Gaya Herrington hatte sich bereits 2020 in ihrem Aufsatz „Update to Limits to Growth: Comparing the World3 Model with Empirical Data“ im Yale Journal of Industrial Ecology“ damit befasst, ob eine Neuberechnung der Entwicklungsszenarien des ursprünglichen „World3“-Modells aus dem Buch „Grenzen des Wachstums“ von 1972 mit aktuellen Datenreihen zu neuen Ergebnissen führen und welche Auswirkungen dies auf zukünftige Prognosen haben könnte. Sie kommt darin zu dem Schluss, dass die Vorhersagen überaus präzise waren und wir uns weiter auf dem vorhergesagten Pfad des „Business-as-Usual“-Szenario befinden, welches einen dramatischen Zusammenbruch der globalen Bevölkerung prognostiziert. 

Das „World3“-Modell ist eine kybernetische Computersimulation, um die Wechselwirkungen zwischen Faktoren wie Bevölkerung, industriellem Wachstum, Nahrungsmittelproduktion und deren Einfluss auf mögliche Grenzen in Ökosystemen der Erde zu erforschen. Es wurde ursprünglich im Auftrag des Club of Rome unter Führung von Dennis L. Meadows und Jørgen Randers entwickelt. Die daraus gewonnenen Ergebnisse wurden im bekannten Buch „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlicht.

Wandel muss jetzt schnell erfolgen

In ihrem GITA-Vortrag setzt sich Gaya Herrington damit auseinander, was das „World3“-Modell über eine nachhaltige Zukunft lehrt, und erläutert, dass weder das „Business-as-Usual“-Modell (BAU) noch das Modell „Business-as-Usual 2“ (BAU2) mit der doppelten Menge an nicht erneuerbaren Ressourcen im Vergleich zu BAU zukunftsfähige Lösungen darstellen. Die Szenarien hätten sich als nicht nachhaltig erwiesen, da das derzeitige Wohlstandsniveau auf einen steilen Abstieg zusteuere, der durch den Zusammenbruch der ökologischen Systeme und die vollständige Erschöpfung der nicht erneuerbaren Ressourcen ausgelöst werde.

Hingegen seien die Modelle „Comprehensive Technology“ (CT) und „Stabilized World“ (SW) eher dazu geeignet, mithilfe technologischer Innovationen einen totalen Zusammenbruch zu verhindern (CT) und in der Folge in einer stabilisierten Welt (SW) ein höheres globales Wohlstandsniveau zu erreichen. Gaya Herrington stellt also die Frage: Welches Szenario wollen wir verfolgen? Um einen positiven Wandel herbeizuführen, müssten die Politiker über die traditionellen (und vermeintlich objektivierbaren) Erfolgsmaßstäbe wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) hinausgehen und sich auf Faktoren konzentrieren, die das menschliche Wohlergehen definierten. Angesichts der Tatsache, dass die am Anfang der 1970er Jahre gemachten Vorhersagen zu den Grenzen des Wachstums (Limits to Growth, LTG) ein halbes Jahrhundert lang ungehört geblieben seien, müsse der Wandel schnell erfolgen, da ein reibungsloser Übergang nicht mehr möglich sei.

Wissenschaftlerin fordert einen neuen gesellschaftlichen Vertrag

Für Gaya Herrington existieren mehrere Mittel zur Veränderung: „Wir müssen mehr geben, als wir nehmen, um die Regeneration zu gewährleisten, und ebenso müssen die Spitzenreiter der Industrie angemessene Steuern zahlen.“ Ebenso fordert die niederländische Forscherin, neue Wirtschaftstheorien in Betracht zu ziehen und zu berücksichtigen, beispielsweise die sogenannte Donut-Ökonomie nach Kate Raworth. Diese strebt eine Balance zwischen Wirtschaft, Umwelt und sozialen Zielen an und soll die menschlichen Bedürfnisse innerhalb der planetarischen Grenzen erfüllen. Vor allem aber müssen sich die Organisationen von der Degenerierung nicht nur auf Nachhaltigkeit, sondern auf das ideale Ziel der Regeneration konzentrieren, betont Gaya Herrington. Um diese komplexen gesellschaftlichen Themen angehen zu können, ruft die Wissenschaftlerin zu einem neuen gesellschaftlichen Vertrag auf, der den Kapitalismus neu auszurichten vermag, damit Menschen, Politik und Wirtschaft an einem Strang für eine wünschenswerte Zukunft ziehen können.Das Video zur Präsentation von Gaya Herrington ist unter https://www.youtube.com/watch?v=xO8GXafim3U kostenfrei verfügbar. Informationen zur GITA „MasterSeries“ und kostenlosen Teilnahme gibt es bei Sebastian Fittko (s@gita.global) und Thomas Schindler (t@gita.global).