Nachhaltiges beziehungsweise verantwortungsvolles Investieren wird gerne mit einem philanthropischen Grundgedanken verbunden. Und durch den Wandel vom Shareholder Value zum Stakeholder Value rückt der Fokus (fälschlicherweise) von der Gewinnorientierung zur Sinnstiftung. Will heißen: Geld zu verdienen erscheint als fragwürdig. Aber nicht der Gewinn eines Unternehmens oder eines Investments an sich sollte in Frage gestellt werden, sondern die Nachhaltigkeit in der Gewinnerzielung und dessen Verwendung. Denn es werden Erträge gebraucht, um damit immer wieder neu Gutes zu tun.
Der US-Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman ist weltweit bekannt. In akademischen Kreisen sowieso, aber auch in ökonomisch interessierten Kreisen, denn Friedmans Doktrin „The business of business is business“ von 1970 hat das Konzept des Shareholder Value begründet. Als Shareholder Value wird in der Ökonomie der Marktwert des Eigenkapitals von Unternehmen bezeichnet. Er entspricht dem Unternehmenswert, gemessen am notierten Kurswert der Aktien des Unternehmens inklusive dessen Finanzverbindlichkeiten. Das Shareholder Value-Konzept ist also eine Unternehmensstrategie, bei der das Management einer Kapitalgesellschaft ausschließlich den Marktwertes des Eigenkapitals steigern soll. Jedes andere Vorgehen ist laut Milton Friedman Diebstahl am Kapital der Gesellschafter. Die Aufgabe des Managers besteht also in erster Linie darin, so viel Geld wie möglich für eine Unternehmung zu verdienen.
Beraubt eine Unternehmensethik die Shareholder?
Das ist purer Neoliberalismus, also ein wirtschaftswissenschaftliches System der Intensivierung des Wettbewerbs durch Deregulierung, Durchsetzung des Freihandels und der Finanzglobalisierung und eine Verringerung der Rolle des Staates durch Privatisierung, Reduktion der Bürokratie und Limitierung der Defizitfinanzierung. In diesem System spielen nur der Unternehmensgewinn und die Renditemaximierung der Anteilseigner eine Rolle. Das bedeutet auf der anderen Seite laut Milton Friedman, dass Unternehmen keine soziale Verantwortung („social responsibilities“) haben und dass ethische Fragen allein unter den Grundsätzen allgemeiner (gesetzlich normierter) Verhaltensregeln zu sehen sind. Diese gesetzgeberischen Normen und gesellschaftlich-ethische Zwänge sind nicht zu umgehen – mehr muss aber nicht sein, weil sonst die die Aktionäre beziehungsweise Gesellschafter beraubt werden könnten.
Corporate Purpose ist der höhere Zweck einer wirtschaftlichen Organisation
Für Milton Friedman geht der Profit also über alles. Das ist aber in heutigen Zeiten, in denen Sinnstiftung und Verantwortung in der Arbeitswelt und bei Investments eine immer größere Rolle spielen, zu einem fragwürdigen Konzept geworden. Die Schlagworte sind Purpose und soziale Verantwortung: Purpose-Orientierung meint, die persönliche Erfüllung, den Daseinszweck oder den Sinn des eigenen Seins zu leben. Corporate Purpose beziehungsweise Corporate Social Responsibility (CSR) ist der höhere Zweck einer wirtschaftlichen Organisation oder eines Unternehmens, der über die Gewinnorientierung hinausgeht. Purpose ist eine spezielle Form der Motivation, die im Unternehmen tief verankert ist und dauerhafte Gültigkeit hat. Die Purpose-Orientierung stiftet also einen übergeordneten Sinn, der nicht durch beiläufige Handlungen zu erreichen ist. Das Gute als Zweck des Lebens ist menschliche Handlungsmaxime und identitätsstiftende Prämisse.
Das bezeichnet den Wandel vom Shareholder Value zum Stakeholder Value. Der Stakeholder Value bedient nicht nur die Interessen der Shareholder, sondern aller Anspruchsgruppen, ohne deren Unterstützung das Unternehmen nicht überlebensfähig wäre wie Mitarbeiter, Lieferanten oder Kunden. Die Orientierung auf alle Stakeholder zeigt, dass für den Erfolg von Unternehmen viele Gruppen von Bedeutung sind, die dementsprechend wiederum auch vom Unternehmen profitieren sollen und wollen.
Ist Kapital nicht mehr nötig, wenn es einen höheren Zweck gibt?
Was heißt das jetzt für Unternehmen, Investorinnen und Investoren? Sollen sie auf Geld und Gewinne verzichten, weil sich das besser anfühlt und zum Zeitgeist passt? Ist Geld vielleicht sogar gar nicht mehr nötig, wenn es einen höheren Zweck gibt? Das ist, mit Verlaub, völliger Unsinn. Gewinne zu erwirtschaften ist eine Hauptaufgabe jedes Unternehmens. Ohne Gewinne sind Unternehmen nicht lebensfähig, und auch die Stakeholder sind auf Gewinne angewiesen! Übergeordneter Sinn lässt sich nicht ohne Kapital und Gewinne erreichen. Geschäftsmodelle müssen langfristig nachhaltig und hinreichend ertragreich sein, um im Markt dauerhaft bestehen zu können und so Mehrwert für alle Stakeholder zu schaffen.
Beim Stakeholder Value geht es um die Schaffung eines optimalen Renditeniveaus für alle Stakeholder eines Unternehmens. Das Stakeholder Value-Konzept legt immer noch einen gewissen Schwerpunkt auf Nettogewinne oder Cashflows, berücksichtigt aber eben auch die Bedürfnisse anderer Stakeholder, die keinen unmittelbaren Anteil an den Ausschüttungen nehmen. Betriebswirtschaftliche Parameter wie Umsatz oder Gewinn sind als Unternehmenszwecke durch den Wandel vom Shareholder Value zum Stakeholder Value also zweitrangig geworden, und der übergeordnete Zweck eines Unternehmens besteht darin, einen positiven Beitrag zur Arbeit zu leisten und allen Beteiligten auf harmonische Weise zu dienen. Unternehmen müssen als menschliche Organisationen konzipiert werden, die von einem edlen Zweck geleitet werden und den Menschen und auch die sinnvolle Nutzung der Ressourcen auf der Erde in den Mittelpunkt stellen. Somit ist die Erzielung von Gewinn ein Gebot und ein Ergebnis einer sinnstiftenden Ausrichtung.
Unternehmen sollten sich einem großen oder sogar ehrenvollen Zweck widmen
Die Frage ist also nicht, ob Unternehmen und Investments Gewinne erwirtschaften dürfen. Sie müssen es sogar. Die Frage ist vielmehr, wie diese Gewinne erzielt und verwendet werden. Das ist die große Kontroverse, der sich Unternehmerinnen und Unternehmer, Investorinnen und Investoren stellen müssen. Der US-amerikanische Managementautor Hubert Joly schreibt, dass Unternehmen keine „soulless moneymaking entities“ sein sollen, also seelenlose Geldproduzenten. Sie brauchen vielmehr das Design als „human organization“. Im Fokus steht, dass sich Unternehmen einem großen oder sogar ehrenvollen Zweck widmen. Das wiederum unterstützt das Ziel, Geld zu verdienen. Es heißt dazu bei Hubert Joly: „In this approach, making money remains an imperative, but profits are not the ultimate objective; rather, they are the outcome of a successful strategy rooted in purpose.“
Impact Investing: finanzielle Rendite dient zur Zweckerfüllung
Das Impact Investing tritt genau an diese Stelle. Impact Investing ist keine Philanthropie, denn Impact Investing zielt immer darauf ab, neben der positiven ökologischen und/oder sozialen Wirkung eine marktübliche Rendite in der jeweiligen Anlageklasse zu generieren. Mit Verschenken hat das nichts zu tun, wodurch klar ist, dass Impact Investing genau auf die Frage der Mittelverwendung abzielt. Impact Investing ist die Antwort der Kapitalmärkte auf die wirklich drängenden Probleme der Welt und will den Paradigmenwechsel vom Shareholder Value zum Stakeholder Value unterstreichen: Das Investieren ist Mittel zum Zweck, die finanzielle Rendite dient zur Impact-orientierten Zweckerfüllung.
Impact Investing zeigt, dass unternehmerische beziehungsweise Investitionsgewinne einen eigenen Sinn besitzen, der weit über die Mehrung des Shareholder Value hinausgeht: Sie ermöglichen die Konzentration auf einen übergeordneten Zweck! Und daher gilt auch im Sinne von Verantwortungseigentum die Prämisse: Geld verdienen ist keine Sünde. Auch wenn manche Menschen das so sehen mögen.