Sophie Kazmierczak blickt auf langjährige Erfahrung im Bereich Impact und Sustainability in verschiedensten Funktionen und Sektoren zurück. Als ehemalige Beraterin bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit arbeitete sie zu verschiedensten Fragestellungen rund um das Thema Nachhaltigkeitstransformation im Energie-, Gebäude und Mobilitätssektor. Seit 2020 verantwortet sie den Bereich Impact und Sustainable Finance der NEXT Generation Invest, einem wirkungsorientierten Investment Manager im Immobilienbereich. Sophie Kazmierczak hält die Co-Leitung des Arbeitskreises „Immobilien“ der Bundesinitiative Impact Investing inne und ist seit Februar Mitglied im Vorstand der Initiative.
Wie schätzen Sie die Entwicklung des Impact Investing in den letzten Jahren ein?
Sophie Kazmierczak: Impact Investing ist insbesondere im angelsächsischen Raum ein seit vielen Jahren weit verbreiteter Ansatz. In den meisten anderen Ländern außerhalb der genannten Geografien handelt es sich jedoch noch immer um eine Anlagestrategie, die gerade erst an Aufwind erfährt und das trotz der Tatsache, dass die Terminologie den meisten Akteuren in der Finanzbranche bereits seit vielen Jahren ein Begriff ist. Diese verstärkte Auseinandersetzung mit dem Thema Impact Investing hat zur Folge, dass es nicht nur in den Medien, Fachzeitschriften und auf Veranstaltungen mittlerweile ein kaum wegzudenkendes Thema ist, sondern zusätzlich den Effekt, dass es mit einer zunehmenden Ernsthaftigkeit behandelt wird. Das ist meines Erachtens eine durchaus erfreuliche Entwicklung. Die regulatorischen Entwicklungen haben hierzu sicherlich einen wesentlichen Beitrag geleistet.
Impact Investing und Klimaschutz sind immer eng miteinander verbunden gewesen, nun scheint es, alswürden neue Krisen Aufmerksamkeit, Prioritäten und staatliches Geld vom Klimaschutz umleiten. Könnte damit auch das Impact Investing an Bedeutung verlieren?
Sophie Kazmierczak: Sicherlich ist nicht zu verleugnen, dass akute Krisen, die eine schnelle Problemadressierung beziehungsweise -lösung erfordern, eine Neusortierung politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Prioritäten zur Folge haben. Gleichzeitig bin ich der Meinung, dass die Menschheit auch in der Vergangenheit bewiesen hat, dass krisenartige Situationen ein enormes Transformationspotenzial in Gang setzen können. Dies liegt darin begründet, dass diese oftmals eine äußerst kritische Auseinandersetzung der aktuellen Begebenheiten zur Folge haben. Ein Vorgehen gemäß „Business as Usual“-Prinzip kann oftmals schlichtweg nicht länger geduldet werden. Darüber hinaus haben sowohl die Corona-Pandemie als auch der Ukraine-Krieg beispielsweise bestehende Abhängigkeiten und Verflechtungen zum Vorschein gebracht, die für viele von uns bis dato wenig greifbar erschienen. Ich bin daher optimistisch, dass der erwähnte Wachstumstrend im Bereich Impact Investing fortgeschrieben werden wird.
Gibt es ökonomische oder ökologische Bereiche, in denen Impact Investing noch zu wenig vorkommt, obwohl es dort eigentlich eine konstruktive Rolle spielen könnte?
Sophie Kazmierczak: Zum aktuellen Zeitpunkt wird Impact Investing noch sehr häufig mit bspw. Greentech assoziiert. Der Bau eines Windparks muss jedoch nicht automatisch ein Impact Investment sein, denn auch bei solch einem Investment müssen Intentionalität (der Nachweis einer klaren Impact Strategie) und Additionalität (der Nachweis eines konkreten Mehrwerts, der ohne das eigene Zutun nicht eingetreten wäre) nachgewiesen werden. Insbesondere die mögliche (netto-positive) Wirkung eines Investments im sozialen Bereich wird bis dato noch zu sehr vernachlässigt. Wie „Social Impact“ durch eine bestimmte Investition generiert werden kann, muss für jede Assetklasse oder Anlagestrategie sicherlich gesondert beantwortet werden. Für den Immobilienbereich, in dem ich neben meiner Rolle in der Bundesinitiative das Thema Impact und Sustainability für die NEXT Generation Invest AG federführend verantworte, gibt es zum Beispiel zahlreiche spannende Anknüpfungspunkte. Ich selbst vertrete jedoch die Meinung, dass wir das Thema ökologischer und sozialer Impact stets versuchen sollten, ganzheitlich zu betrachten.
Wo sehen sie rote Linien für das Impact Investing. Wie stehen sie etwa zur Atomkraft, die laut der EU mittlerweile als „grüne Energie“ durchgeht. Könnten sie sich Impact Investing im Kernenergiebereich vorstellen?
Sophie Kazmierczak: Über den möglichen Beitrag der Atomenergie zur grünen Transformation könnte man intensiv diskutieren. Kernenergie gilt bekanntlich als besonders CO₂-arme Technologie. Gleichzeitig verstößt die Technologie in hohem Maße gegen das sogenannte „do-no-significant-harm“-Prinzip, welches sich durch die EU-Taxonomie zieht, weshalb ich die aktuelle Klassifizierung der EU aus inhaltlicher Sicht persönlich nicht nachvollziehen kann. Die politischen Abwägungen haben hier sicherlich eine bedeutendere Rolle gespielt. Aktuell fehlt mir selbst zugegebenermaßen noch die Vorstellungskraft, wie Impact Investing im Bereich der Kernenergie gelingen könnte. Sicherlich müsste dies eine äußerst intelligente, verlässliche und langfristige Lösung für die Endlagerungs-Thematik beinhalten. Denkbar wäre dies sicherlich, getreu dem Motto: Nichts ist unmöglich…
Haben Sie den Eindruck, dass in Deutschland nach dem Regierungswechsel die neue Koalition dem Impact Investing mehr Beachtung schenkt? In anderen westlichen Staaten, wie Großbritannien, empfiehlt ja die Regierung explizit diese Investmentform.
Sophie Kazmierczak: In Deutschland ist der Marktanteil des Impact Investing immer noch sehr gering. In den letzten ein bis zwei Jahren ist hier jedoch ein deutlicher Umbruch sowie Wachstumstrend zu verspüren gewesen. Sustainable Finance (und somit auch Impact Investing) soll jedoch – so hat beispielsweise Kristina Jeromin, Geschäftsführerin des Green and Sustainable Finance Clusters Deutschland jüngst im Rahmen einer Anhörung im Bundestag zu dem Thema gefordert – schleunigst aus der „Orchideenecke“ herausgeholtwerden. Damit dies geschehen kann, muss allerdings noch einiges passieren. So gibt es aktuell noch keine einheitlichen Standards für die Messung der avisierten Wirkung einer bestimmten Investition. Darüber hinaus existieren beispielsweise keine „Schutzmechanismen“ für Green oder Impact Washing. All dies sind Themen, welche zurzeit im Bundestag heiß diskutiert werden. Klar ist jedoch, dass sich Deutschland langfristig zu einem der führenden Standorte im Bereich Sustainable Finance entwickeln soll. Dieses Ziel verfolgte bereits die alte Regierung und hat dies in ihrer Sustainable-Finance-Strategie festgehalten. Die Ampel-Koalition hat zurzeit noch keine eigene Strategie vorgestellt. Momentan deutet jedoch alles darauf hin, dass die neue Regierung dem Thema auch in Zukunft eine größere Bedeutung zusprechen wird. So sollen nach BaFin-Angaben zum Beispiel als nachhaltig deklarierte Fonds zukünftig zu mehr als 75 Prozent aus an Nachhaltigkeit ausgerichteten Anlagen bestehen, was sogar die Anforderungen der EU übersteigt. Weiterhin soll auch das Steuerrecht vermehrt als Instrument für die Incentivierung von nachhaltigen Geldanlagen genutzt werden. Es ist mein Wunsch, dass das Thema Sustainable Finance in den nächsten Jahren einen noch deutlich höheren Stellenwert einnehmen wird. Die Bundesinitiative Impact Investing wird dazu sicherlich einen messbaren Beitrag leisten.
Wenn Sie gefragt werden, weswegen Sie Impact Investing empfehlen, was wären die entscheidenden Argumente für diese Investmentform?
Sophie Kazmierczak: Impact Investing ermöglicht es, durch die bewusste und wirkungsorientierte Allokation von Kapital einen signifikanten Beitrag zu der Transformation zu leisten, die wir so dringend benötigen. Es ermöglicht Investitionen in unsere Zukunft und mündet daher – im Falle einer konsequenten und stringenten Umsetzung – in zukunftsfähigen und wertstabilen Portfolien. Das wichtigste Argument ist aus meiner Sicht jedoch die Verantwortung, die ein jeder von uns für sein Handeln übernehmen muss. Die Finanzbranche kann sich dieser Verantwortung nicht länger entziehen, denn es ist höchste Zeit zu handeln.