Der US-Ökonom John Fullerton fordert einen Paradigmenwechsel hin zur Regenerative Economy. Es brauche neue Wege des Sehens, Denkens, Seins und Wirtschaftens für das 21. Jahrhundert. Das Konzept stellt John Fullerton im vierten Teil der GITA „MasterSeries“ vor.
Der US-amerikanische Ökonom, Impact Investor und Autor John Fullerton gilt als einer der Vordenker eines regenerativen Wirtschaftssystems. Diese Idee hat er erstmals 2015 in seinem Artikel „Regenerative Capitalism: How Universal Patterns and Principles Will Shape the New Economy“ dargelegt. Eine regenerative Wirtschaft bedeutet bekanntlich eine Abkehr von extraktiven Geschäftsmodellen und die Erschließung des Potenzials für positive Beiträge für Natur und Gesellschaft. John Fullerton hatte nach 20 Jahren an der Wall Street im Jahr 2001 eine erfolgreiche Finanzkarriere aufgegeben, um die Konzepte der Wirtschaft selbst zu hinterfragen und neu zu gestalten. Dies führte zur Gründung des Capital Institute im Jahr 2010, das sich der Förderung einer regenerativen Wirtschafts- und Finanzpolitik widmet.
Der Experte für Regenerative Economics befasst sich im vierten Teil der „MasterSeries“ von GITA (Global Impact Tech Alliance) mit der Abkehr vom Wirtschaftswachstum und dem notwendigen Paradigmenwechsel hin zu neuen Verhaltensweisen und Managementmethoden im 21. Jahrhundert. Er kritisiert, dass das gesamte Wirtschafts- und Finanzsystem (einschließlich Steuern, Renten usw.) auf Wirtschaftswachstum ausgerichtet sei. Das bedeute, dass der Gedanke an eine Abkehr vom Wachstum mit tiefgreifenden Herausforderungen verbunden sei.
Zeit ist reif für eine ganzheitliche, lebendige Systemtheorie der Wirtschaft
Die Ursprünge der derzeitigen Misere lassen sich laut John Fullerton auf einen fatalen Fehler der Wirtschaftswissenschaften zurückführen, der seinen Ursprung bereits in der wissenschaftlichen Revolution von Kopernikus und Newton habe. Die neoklassische Ökonomie gehe davon aus, dass ein Newton-Teilchen in der Physik einem Individuum in der Ökonomie entspricht, und Arbeit entspricht dem von Irving Fisher 1892 definierten „Unnutzen“ („disutility“). Seine Haltung: „Die neoklassische Wirtschaftswissenschaft wurde nie wirklich weiterentwickelt, um die Fortschritte in der Physik anzuerkennen. Wir brauchen ein neues Wirtschaftsparadigma, das die gegenseitige Abhängigkeit der Menschen und der Umwelt anerkennt.“
Für John Fullerton ist die Zeit also reif für eine ganzheitliche, lebendige Systemtheorie der Wirtschaft, für die Regenerative Ökonomie. In der vierten GITA-Session teilte er nicht nur sein Verständnis davon, was dies bedeutet, sondern führte uns auch von der Theorie zur Praxis, indem er uns Einblicke in seine Investitionsprinzipien gab. Eine regenerative Wirtschaft erfordert nicht nur technologischen Fortschritt, sondern auch kulturelle und spirituelle Transformationen. Daher gehe es nicht nur darum, alternative Energiequellen zu finden oder Elektroautos zu benutzen. Es gehe vielmehr darum, das gesamte System zu verändern, von der Art und Weise der Güterproduktion und -konsum bis hin zu der Art und Weise der gesellschaftlichen Organisation und Ressourcenallokation. Der Paradigmenwechsel erfordert ein echtes Umdenken: „Wir müssen uns nicht mehr als von der Natur getrennt betrachten, sondern verstehen, dass wir ein Teil von ihr sind und dass unser Überleben von der Gesundheit der Ökosysteme abhängt, die uns erhalten“, betont John Fullerton.
Es braucht Mut, Vorstellungskraft und die Bereitschaft, die alten Denk- und Handlungsweisen loszulassen
Das bedeutet: Für John Fullerton ist ein neues Wirtschaftsparadigma erforderlich, das nicht auf der Vorstellung von unendlichem Wachstum beruht, sondern auf den Grundsätzen der ökologischen Ökonomie, der Kreislaufwirtschaft und der regenerativen Wirtschaft, die allesamt Nachhaltigkeit, Widerstandsfähigkeit und Gedeihen in den Vordergrund stellen. Die Gesellschaft habe das Wissen, die Technologie und die Ressourcen, um eine Welt zu schaffen, die nachhaltig, gerecht und erfüllend für alle sei. Aber es erfordere Mut, Vorstellungskraft und die Bereitschaft, die alten Denk- und Handlungsweisen loszulassen. Die Menschen müssten uns dem Unbehagen der Ungewissheit und der Angst vor dem Unbekannten stellen und sich auf das Abenteuer einlassen, eine neue Zukunft mitzugestalten.
Dafür muss sich die Menschheit John Fullerton zufolge einem Realitätscheck unterziehen: „Wir sind ein Teil der Natur, nicht getrennt von ihr. Trotz unserer vielen Errungenschaften wirkt unser extraktives Wirtschaftssystem wie ein Entropiebeschleuniger, der zu physischer, sozialer und spiritueller Entropie führt. Es begünstigt zu wenige auf Kosten von allem, was uns lieb und teuer ist. Wir müssen dieser Entropie entgegenwirken, um lebendig und blühend zu bleiben. Wir schaffen scheinbaren Wohlstand, indem wir die Welt um uns herum degenerieren, und damit die Lebensgrundlage von uns und künftigen Generationen zerstören. Wir schaffen also heutigen Wohlstand, indem wir zukünftigen Wohlstand zerstören.“
Viele Vorreiter für eine nachhaltige und regenerative Zukunft
John Fullerton stellt daher abschließend fest: „Wir haben die Wahl: Entweder sind wir passive Opfer des Wandels, der sich gerade vollzieht, oder wir können die Veränderungen, die wir sehen wollen, aktiv gestalten. Die Zukunft ist nicht vorherbestimmt; sie wird durch unsere Entscheidungen und Handlungen im gegenwärtigen Moment geschaffen. Lassen Sie uns weise wählen und mutig handeln, damit wir ein Erbe hinterlassen, auf das wir stolz sein können und für das uns künftige Generationen danken werden.“
Die gute Nachricht laut John Fullerton ist, dass dieses neue notwendige Paradigma auch realisierbar ist. Es gebe zahlreiche Beispiele von Organisationen, Gemeinschaften und Einzelpersonen, die Vorreiter für eine nachhaltige und regenerative Zukunft seien. Sie praktizierten unter anderem regenerative Landwirtschaft und erneuerbare Energien, setzen soziale und ökologische Auswirkungen über den Profit und hätten sich für einen minimalistischen Lebensstil und ein bewusstes Leben entschieden.
Das Video zur Präsentation von John Fullerton ist unter https://www.youtube.com/watch?v=1FiBnTBJjYA&t=1skostenfrei verfügbar. Informationen zur GITA „MasterSeries“ und kostenlosen Teilnahme gibt es bei Sebastian Fittko (s@gita.global) und Thomas Schindler (t@gita.global).