Richtlinie für ESG-Fonds vertagt: Störungen im Betriebsablauf

Die Investmentfonds-Richtlinie wurde mit viel Tamtam angekündigt. Vor allem sogenannte Artikel 9-Fonds sollten ein Gütesiegel dafür sein, dass Anlegerinnen und Anleger sich wirklich nachhaltig engagieren. Jetzt hat die BaFin hat die ESG-Richtlinie vor dem Hintergrund der dynamischen regulatorischen, energie- und geopolitischen Lage vertagt.

Eigentlich sollte es der große Wurf werden, um nachhaltiges Investieren in Investmentfonds voranzutreiben. In der „Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen“ der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin heißt es: „Die Bedeutung nachhaltig ausgerichteter Fondsprodukte nimmt unter anderem aufgrund einer steigenden Anlegernachfrage immer weiter zu. Gleichzeitig steigt die Gefahr eines sogenannten ‚Greenwashing‘. Hierbei werden Investmentvermögen dem Anleger als nachhaltig angeboten bzw. tragen bereits in ihrem Namen den Verweis auf eine Nachhaltigkeit, ohne dass sie tatsächlich eine entsprechende Anlagepolitik verfolgen.“

Soll ein Investmentvermögen als nachhaltiges Investmentvermögen im Sinne dieser Richtlinie aufgelegt werden, muss sich dies nicht nur in dessen Verkaufsunterlagen, sondern auch in den Anlagebedingungen widerspiegeln. Ein Punkt ist nachhaltiges Investmentvermögen aufgrund der Investition in nachhaltige Vermögensgegenstände: „Die genannte Vorgabe kann grundsätzlich durch die Aufnahme einer Regelung in den Anlagegrenzen erfolgen, wonach das Investmentvermögen zu mindestens 75 Prozent in nachhaltige Vermögensgegenstände investiert sein muss. Die Anlagebedingungen müssen weitere Angaben darüber enthalten, welche Vermögensgegenstände als nachhaltig angesehen werden.“

Umfeld nicht ausreichend stabil für Nachhaltigkeits-Regulierung

Vor allem sogenannte Artikel 9-Fonds sollten ein Gütesiegel dafür sein, dass Anlegerinnen und Anleger sich wirklich nachhaltig engagieren. Das bedeutet, dass der Fonds ein konkretes nachhaltiges Anlageziel beziehungsweise ausweisbares außerfinanzielles Nachhaltigkeitsziel verfolgt und diese Nachhaltigkeitswirkung transparent nachweisen kann. Artikel 9-Fonds werden auch als „dark green“ („dunkelgrün“) markiert. Artikel 9-Fonds sollen dabei die Anlegerinnen und Anleger ansprechen, die auf Nachhaltigkeit besonders viel Wert legen, während Fonds nach Artikel 8 eine systematische und explizite Förderung der ESG-Merkmale in der Kapitalanlage anstreben.

Aus dieser gut gemeinten Positionierung von nachhaltigen Investmentfonds wird jetzt nichts. Denn die BaFin hat die ESG-Richtlinie vertagt. Vor dem Hintergrund der dynamischen regulatorischen, energie- und geopolitischen Lage habe die Behörde beschlossen, die geplante Richtlinie für nachhaltige Investmentfonds zurückzustellen. „Für eine dauerhafte Regulierung ist das derzeitige Umfeld nicht ausreichend stabil“, sagte Bafin-Präsident Mark Branson laut einem Bericht der „WirtschaftsWoche“. „Kapitalverwaltungsgesellschaften können selbstverständlich weiterhin nachhaltige Investmentvermögen auflegen und vermarkten. Wir werden in unserer Praxis bestimmte Grundsätze anwenden, die wir bereits zur Konsultation gestellt hatten.“

Neue Praxis im Umgang mit Greenwashing geplant

Stattdessen plant die Behörde nun eine Praxis im Umgang mit Greenwashing zu entwickeln. Dabei sollen Grundsätze angewendet werden, die man bereits zur Konsultation gestellt habe, meldet das Portal finanzbusiness.de. „So müssen, zum Beispiel, nachhaltige Fonds mindestens 75 Prozent in nachhaltige Anlagen investieren, mit mindestens 75 Prozent des Investmentvermögens eine nachhaltige Anlagestrategie verfolgen oder einen nachhaltigen Index abbilden”, sagte Branson.

Das ist ein, gelinde gesagt, peinliche Veranstaltung. Die Investmentfonds-Richtlinie wurde mit viel Tamtam angekündigt und sollte der Tipping Point für nachhaltiges Investieren in der Breite der Bevölkerung werden. Anlegerinnen und Anleger sollten auf einen Blick erkennen können, in welche Art von Finanzprodukt sie investieren. Die Entscheidung für nachhaltiges Investieren und der Zugang dazu sollten damit maßgeblich erleichtert werden. 

Nicht auf den Gesetzgeber warten

Damit müssen Anlegerinnen und Anleger andere Wege der Analyse gehen, um wirklich nachhaltige Investmentfonds zu finden, gerade auch mit einem Impact Investing-Ansatz. Dafür ist ein Blick in den Investmentprozess und auf die Tätigkeiten des Managements wichtig. So konzentriert sich beispielsweise der „4L Capital Impact Aktienfonds“ der Impact-Vermögensverwaltung 4L Capital AG auf ein globales, streng auf tatsächliche Wirkungsorientierung ausgerichtetes Portfolio. Dabei werden Unternehmen unter anderem auf ihren positiven Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals – SDGs) analysiert und einem Negativkatalog mit harten Ausschlusskriterien wie Atom- und Kernenergie, Fracking, Gentechnik, Bilanzbetrug etc. und der jeweiligen Unternehmenspraktiken unterworfen. Ebenso betätigt sich das Management aktivistisch und nimmt die Investorenrechte im Namen der Anlegerinnen und Anleger wahr. Dazu gehören unter anderem die Ausübung der Stimmrechte und das Setzen von Diskussionsthemen bei Hauptversammlungen. 

Das zeigt: Anlegerinnen und Anleger können auch im Fondsbereich wirkungsorientierte und an den 17 globalen Nachhaltigkeitszielen ausgerichtete Investments finden. Sie müssen nur wissen, wie sie suchen und auf was sie achten sollten. Und sie sollten eben nicht auf den Gesetzgeber warten, sondern die Sache selbst in die Hand nehmen.

Über den Autor: Prof. Dr. Patrick Peters, MBA

Prof. Dr. Patrick Peters, MBA ist Professor für PR, Kommunikation und digitale Medien und Prorektor an der Allensbach Hochschule, Wirtschaftspublizist und Kommunikationsberater. Er befasst sich seit vielen Jahren mit der Finanzindustrie und berät vor allem Vermögensverwalter, Finanzdienstleister und Unternehmen, die sich dezidiert mit dem Thema der Nachhaltigkeit befassen. Er hält einen MBA mit Fokus auf Leadership und Ethik. Er ist Chefredakteur von impactinvestings.de.

Prof. Dr. Patrick Peters
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